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Hisbollah lässt Regierung platzen - Libanon vor politischer Hängepartie

Von Michael Schmölzer

Analysen

Die libanesische Regierung war erst gut ein Jahr im Amt, schon ist sie wieder Geschichte. Am Mittwoch zog die von den USA als Terrororganisation eingestufte Hisbollah ihre Minister zurück, das Kabinett unter Premier Saad Hariri ist damit gescheitert.


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Grund für den Rückzug der Hisbollah ist ein Tribunal in Den Haag, das den mysteriösen Tod von Hariris Vater Rafik im Jahr 2005 untersucht. Die Hisbollah muss nun befürchten, dass in dieser Sache bald einige ihrer Mitglieder vor Gericht gestellt werden - ein unerhörter Gesichtsverlust für die Schiitenorganisation, die das Tribunal in den Niederlanden als "rein israelisches Projekt" auch gar nicht anerkennt. Libanons Premier und die restliche Ministerriege bleiben nun provisorisch im Amt; zu welcher politischen Lösung es letztlich kommt, steht in den Sternen.

Der Ausbruch eines blutigen Bürgerkrieges, wie er im Libanon bis 1990 tobte, wird zwar weitgehend ausgeschlossen, zu Ausschreitungen und politischen Attentaten könnte es aber sehr wohl kommen. Sicher ist, dass nun end- und über weite Strecken wohl fruchtlose Verhandlungen beginnen, wer die neue Regierung führen soll. Das liegt daran, dass es im Libanon so viele verfeindete Fraktionen gibt, dass Entscheidungen kaum zu treffen sind.

Das Land, ein permanentes Pulverfass, leidet auf institutioneller Ebene unter ständiger politischer Agonie, die auf Rivalitäten zwischen Christen, Sunniten, Schiiten und Drusen zurückzuführen ist. Zuletzt stand der Libanon 2008 am Rande eines Bürgerkrieges zwischen den verschiedenen Volksgruppen. Ein kompliziertes Proporzsystem soll dem Interessensausgleich dienen, macht aber die Bildung einer Regierung oder die Kür eines Präsidenten zu einem schwierigen und zeitraubenden Unterfangen.

Die politische Instabilität wird dadurch verstärkt, dass die einzelnen Kräfte Unterstützung bei ausländischen Mächten suchen, die den Libanon als Arena für die Durchsetzung ihrer Interessen nutzen. So treten Hariris engste Verbündete, die USA und Saudi-Arabien, auf libanesischem Boden in Konkurrenz zum Iran und zu Syrien, die die Hisbollah unterstützen und die beide eine ausgeprägte Antipathie zu Israel pflegen.

Die Hisbollah hat in den vergangenen Jahren jedenfalls massiv an Bedeutung gewonnen. Konkurrenzorganisationen wie die schiitische Amal wurden zurückgedrängt, der Bevölkerung stellen die Islamisten ein umfangreiches und funktionierendes Netz an Sozialeinrichtungen zur Verfügung. Seit dem Ende des Bürgerkriegs ist die Hisbollah die einzige schlagkräftige militärische Macht im Land, 2006 gelang es Israels Truppen nicht, diesen Gegner zu schlagen - ein weiterer großer Prestigeerfolg für die Hisbollah. Israel fürchtet nun einen Staatsstreich durch die Hisbollah und hat seine Truppen an der Grenze in Alarmbereitschaft versetzt.