Erinnerung an siegreiche Schlacht der Mexikaner von 1862. | Cheforganisator in New York wegen Gefängnisstrafe heuer nicht dabei. | New York. Der "Botschafter" kann nicht kommen. Seine Exzellenz sitzt im Gefängnis, mindestens die nächsten sechs Jahre. Seit Juan Caceres jüngst wegen mehrfacher Vergewaltigung verurteilt wurde, müssen sich die Repräsentanten der mexikanischen Community New Yorks unangenehme Fragen stellen lassen.
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Wer wusste von seinem Doppelleben? Wie war es möglich, dass einer der wichtigsten Lobbyisten für mexikanische Angelegenheiten so lange ungeschoren blieb? Das Opfer war seine heute 14-jährige Tochter, Caceres soll sie jahrelang zum Sex gezwungen haben. Auch wenn er seine Botschaftertätigkeit nur inoffiziell ausübte - einen Diplomatenpass besaß der 44-Jährige nie, der Titel wurde ihm vom Gouverneur der mexikanischen Provinz Puebla verliehen -, besaß er auf den Straßen New Yorks Gültigkeit.
Caceres ist der Gründer und langjährige Chef des Centro de la Comunidad Mexicana (Cecomex), einer Nicht-Regierungsorganisation, die sich der Bedürfnisse mexikanischer Einwanderer annimmt. Die Zahl der mexikanischen Einwohner in New York hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, auf rund eine halbe Million. Die neuen Zuwanderer kommen fast ausnahmslos aus Puebla, und Caceres war der Cheforganisator des höchsten Feiertags der Stadt: des Cinco de Mayo, des 5. Mai.
"Wir reden nicht darüber, weil viele noch nicht glauben, dass dieser Mann, der so vielen geholfen hat, diesmal nicht da sein wird", sagt Benito Cabrera. Der Besitzer eines Waschsalons in East Harlem, wo die Mexikaner längst die Mehrheit der Bevölkerung stellen, hat schon viele Cinco de Mayos erlebt, "aber dieser wird anders sein als alle vorher. Auch wenn man das oberflächlich nicht merken wird."
Was den Iren ihr St. Patricks Day, den Italienern ihr San Gennaro und den Chinesen ihr Neujahrsfest, ist den Mexikanern in den USA der Cinco de Mayo: Ein Fest der Herkunft und des Stolzes auf das kulturelle Erbe, das nördlich des Rio Grande den mexikanischen Nationalfeiertag (16. September) längst an Popularität überrundet hat.
HistorischeAssoziationen
Die Mexikaner in den USA stellen mittlerweile eine politisch wie wirtschaftlich nicht zu vernachlässigende Bevölkerungsgruppe: Rund 32 Millionen US-Staatsbürger sind mexikanischer Herkunft, das sind etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Dazu kommen geschätzte sieben Millionen, die illegal hier leben. Aber wie konnte es kommen, dass ein Feiertag, der in Mexiko selbst nur in Puebla begangen wird, in den USA heute eine derart wichtige Rolle einnimmt?
Mit seinen Ursprüngen hat das nur bedingt zu tun. 1846 bis 1848 führten die Mexikaner und die USA einen Krieg, von dem sich Erstere lange nicht erholten. Mexiko verlor damals die Hälfte seines Territoriums: die heutigen US-Bundesstaaten Kalifornien, Nevada, Arizona, Utah, Teile Colorados, New Mexiko und Texas. Nachdem Präsident Benito Juarez 1861 ein Moratorium für die Schuldenrückzahlungen an Gläubigerländer verkündet hatte, setzten Frankreich, Großbritannien und Spanien ihre Flotten in Bewegung. Während sich die Mexikaner mit den Briten und der ehemaligen Kolonialmacht auf dem Verhandlungsweg einigten, wollte Napoleon III. die Gunst der Stunde nutzen -in den USA war inzwischen der Bürgerkrieg ausgebrochen - und seine Großmachtambitionen mit der Etablierung eines unter seiner Kontrolle stehenden "Zweiten Mexikanischen Reichs" vorantreiben.
Vor Puebla stand am 5. Mai 1862 eine schlecht ausgestattete, 4000 Mann starke mexikanische Armee unter General Ignacio Zaragoza Seguin 8000 Franzosen gegenüber. Trotzdem schafften sie es, die Franzosen zu besiegen. Auch wenn das den französischen Vormarsch nicht lange aufhielt - zwei Jahre später wurde der Österreicher Maximilian I. auf Napoleons Geheiß zum König Mexikos ernannt -, wurde der Sieg zum Mythos. In Kalifornien begann man schon zwei Jahre später, den Tag zu feiern. Im Rest der USA sollte es bis zu den 1940er Jahren dauern. Verbunden damit war das Aufkommen der Chicano-Mouvements - einer Bewegung, die gegen die Ausbeutung und Diskriminierung mexikanisch-stämmiger US-Bürger kämpfte, Ende der 1960er Jahre ihren Höhepunkt erreichte und den Cinco de Mayo zu ihrem Feiertag ernannte.
Feiertag wurde zumlukrativen Geschäft
Als Geschäftsleute ein Jahrzehnt später dessen riesiges kommerzielles Potenzial erkannten, brachen schließlich alle Dämme. Heute werden mit eigens gebrautem Cinco de Mayo-Bier und abertausenden nach dem Fest benannten Memorabilia Millionen Dollar umgesetzt. Auch Juan Caceres, der Ende der 80er Jahre in die USA gekommen war und sich zunächst mit dem Verkauf von Tomaten an Straßenecken verdingte, war sich des geschäftlichen Potenzials des Cinco de Mayo bewusst. In East Harlem munkeln manche, dass er, nachdem er sich über die Jahre einen Namen als Community-Organisator gemacht hatte, an dem Ein-Tages-Fest jedes Jahr so viel verdiente, dass er für den Rest des Jahres ausgesorgt hatte.