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In einer Nacht- und Nebelaktion ließ der Premier ein kontroversielles Denkmal errichten. Antifaschisten sind erzürnt.
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Budapest. Trotz hartnäckiger Proteste von Antifaschisten hat Ungarns rechtsnationale Regierung das Denkmal zur Besatzung des Landes durch Nazi-Deutschland aufstellen lassen. In der Nacht zum Sonntag sperrte plötzlich ein großes Polizeiaufgebot die Baustelle am Budapester Szabadság-Platz weiträumig ab. Mit Kränen wurden die bronzenen Hauptfiguren hinaufgehievt: Der deutsche Reichsadler, im Sturzflug auf den Erzengel Gabriel, der das unschuldige Ungarn verkörpern soll. Bereits Stunden später begannen Oppositionelle damit, das Objekt mit Eiern zu bewerfen. Der schlanke Erzengel hält einen Apfel in der Hand, in dem das Doppelkreuz des Staatsgründers, König Stephan, steckt. Manch einem Beobachter schien es, als würde der Engel das ungarische Reich dem Adler geradezu zum Verzehr anbieten - was der Absicht des Künstlers Peter Parkanyi und des Auftraggebers, Ministerpräsident Viktor Orbán, diametral widersprechen würde.
Vielmehr soll das Denkmal wohl an den Verlust der Souveränität erinnern, die Ungarn durch den Einmarsch deutscher Truppen am 19. März 1944 erlitten habe. Ungarns Antifaschisten aber sehen in diesem Konzept eine grobe Geschichtsfälschung, weil damit die Mitverantwortung Ungarns für den Holocaust ausgeklammert werde.
Orbáns Geheimprojekt
Zudem hat Orbán das Errichten des Denkmals praktisch heimlich vorangetrieben. Es begann mit einer Verordnung am 31. Dezember 2013, die das Denkmal zum Objekt von "volkswirtschaftlichem Interesse" erklärte. Damit sollte die Rechtsbasis für eine beschleunigte Genehmigung geschaffen werden. Mit Erfolg: Schon drei Tage später endete die Abgabefrist für den Entwurf, der nie offiziell veröffentlicht wurde. Er sickerte aber mit Hilfe von Oppositionspolitikern durch. Rund 600,000 ungarische Juden sind von Nazis ermordet worden. Die meisten - 437,000 davon - sind nach dem deutschen Einmarsch in Konzentrationslager deportiert worden. Dies fand binnen nur sieben Wochen statt. Ohne massive Hilfe ungarischer Beamter sei dies nicht möglich gewesen, meinen Historiker. Ungarn, regiert vom "Reichsverweser" Miklos Horthy, war lange vorher mit Nazi-Deutschland verbündet gewesen und hatte viele Gesetze gegen ansässige Juden eingeführt. Deutsche Truppen marschierten 1944 ein, weil Berlin damals befürchtete, dass Budapest abtrünnig werden könnte.
Wütende Proteste
Nach sofort aufflammenden Protesten seitens verschiedener jüdischer Organisationen, Historikern, Oppositionspolitikern und zivilen Aktivisten, wurde die ursprünglich für den 19. März diesen Jahres geplante Einweihung nach hinten verschoben. Orbán versprach, sich nach den Wahlen im vergangenen April Debatten mit Gegnern des Denkmals zu stellen. Dies blieb aber aus. Die nächtliche Bauaktion, die ohne jede Vorankündigung stattgefunden hatte, habe Orbán höchstpersönlich angeordnet, hieß es in der links-liberalen Zeitung "Nepszabadsag" unter Berufung auf ungenannte Regierungsquellen. Er habe gehofft, dass die Kritik blass bleiben werde, weil die aktuellen Konflikte in der Welt von Ungarn ablenken.
"Sie sind wie die Diebe vorgegangen", sagte Fruzsina Magyar, eine der Organisatorinnen der Dauerdemonstrationen gegen das Denkmal. Genützt haben ihre Bemühungen bisher nichts, aber vielleicht wirken sie nach, hofft man. Die Regierung befürchte außerdem, dass das Denkmal zum Epizentrum von Protesten vor den landesweiten Kommunalwahlen im kommenden Herbst werden könnte schrieb die Zeitung "Nepszabadsag".