In dem am Montag vorgelegten 14.000 Seiten starken Endbericht der Historikerkommission sieht Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), einen "turning point" in der Geschichte der Zweiten Republik. Der Bericht sei nicht die Basis, um einen Schlussstrich zu ziehen, sondern die Geschichte so aufzuarbeiten, dass die unter der Oberfläche schwelende Wunde verheilt. Muzicant wünscht sich, dass die Inhalte des Berichts populär gemacht werden.
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Muzicant selbst hat 1998 maßgeblich zum Zustandekommen der Historikerkommission beigetragen. Diese sollte den Vermögensentzug während der Nazi-Herrschaft in Österreich und die Rückstellungen und Entschädigungen aufarbeiten. Er sei sehr froh, dass es diesen Bericht nun gebe. Jetzt müsse daran gegangen werden, diesen Bericht zu popularisieren, forderte der IKG-Präsident gestern in einer Pressekonferenz.
Er habe die Einsetzung der Historikerkommission nicht verlangt, um 160 Historiker als Richter über Österreich zu bestellen, sondern um einen Weg zu finden, von der These des ersten Opfers weg zu kommen, erklärte Muzicant. Der Bericht mache deutlich, dass die Verbrechen lange vor dem Krieg begonnen haben. Zur Veranschaulichung erinnerte er daran, dass unmittelbar nach dem "Anschluss" in einer Dimension der Stadt Graz geraubt und geplündert worden war.
Wie die Historikerkommission auch, klagte der IKG-Präsident darüber, dass die Opfer gegenüber der Republik Österreich eine Holschuld hatten. "Das ist die Problematik. Dass Menschen, die gerade noch ihr Leben retten konnten und über die ganze Welt verstreut waren, nach Österreich zurückkehren, sich hier einen Anwalt hätten nehmen sollen, um ein Haus oder einen Konzertflügel zurück zu bekommen."
Österreich habe 55 Jahre lang nichts getan, dann seien die Sammelklagen gekommen und im Jänner 2001 habe man das Washingtoner Abkommen getroffen. Darin wird jenen, die bisher nichts erhalten haben, eine finanzielle Abgeltung zugesichert. Die Auszahlung soll aber erst erfolgen, wenn die zwei Sammelklagen zurückgezogen werden. Auf eine darauf hat Muzicant einen Einfluss. Diesen will er aber erst geltend machen, wenn der Bund an die Kultusgemeinde außerhalb des Allgemeinen Entschädigungsfonds Entschädigung leistet. Mit den Ländern hat sich
Muzicant bereits auf eine Zahlung von 250 Mill. Schilling (18 Mill. Euro) geeinigt. Mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel steht diese Einigung noch aus.