)
Berlin · Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Grundgesetz und den demokratischen Einrichtungen ist nach Auffassung von Andreas Nachama "selbst ein Holocaust-Mahnmal". Wie | der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin anläßlich des Gedenktages für die Opfer der NS-Zeit in einem APA-Gespräch betonte, komme das geplante Berliner Mahnmal 50 Jahre zu spät. Den Weg, den | Österreich mit der Einsetzung der Historikerkommission eingeschlagen habe, sei "ein richtiger und begrüßenswerter Weg".
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 26 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ob man das österreichische Beispiel direkt auf Deutschland übertragen könne, sei die Frage. "Aber vom Ansatz her finde ich die Kommission auch für die Bundesrepublik überlegenswert. Sie
hat Vorbildcharakter."
Zwiespältige
Auseinandersetzung
In dem Zwiespalt zwischen der derzeitigen intensiven Diskussion über das Berliner Mahnmal und dem Umstand, daß diese Diskussion bereits seit über zehn Jahren geführt werde, "bewegt sich meiner
Meinung nach die Gedenkkultur in Deutschland insgesamt", merkte Nachama an. Zu der Zwiespältigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Deutschland gehöre auch, daß die
Gründungsväter der BRD, wie zum Beispiel Konrad Adenauer, zum großen Teil Antifaschisten gewesen seien. Auf der anderen Seite habe es aber auch "die Globkes" gegeben, die die Bundesrepublik
mitgestaltet hätten. (Globke hatte trotz seiner üblen Rolle als Kommentarverfasser für die Nürnberger Rassengesetze unter Adenauer wieder eine Karriere als Staatssekretär gemacht, Anm.)
Auch die DDR habe sich im Umgang mit der NS-Zeit schwer getan. Allerdings habe sie frecherweise erklärt, auf der Seite der Sieger zu stehen und quasi den Faschismus mit besiegt zu haben. Ein
Blick in die Geschichtsbücher zeige jedoch, daß "es so ja nicht gewesen sein konnte", bemerkte Nachama. Somit sei eben auch in der DDR diese Zwiespältigkeit vorhanden gewesen, aber anders aufgebaut.
Eine intensivere Diskussion über die Shoah, wie sie durch das Berliner Mahnmal sowie durch die Debatte zwischen dem Schriftsteller Martin Walser und dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in
Deutschland, Ignatz Bubis, ausgelöst worden sei, könne man sich kaum vorstellen. Alle Mahnungen, einen Schlußstrich unter die Debatte zu setzen, hätten derzeit zur Folge, daß umso lauter diskutiert
werde. "Und das halte ich für einen sehr positiven Ansatz".
Für großzügige
Entschädigungsregelung
In Bezug auf die Entschädigung von Holocaust-Opfern mahnte Nachama eine umfassende, großzügige und abschließende Regelung an. Die gesamte Frage der Entschädigung sei für ihn äußerst beschämend",
und daß man sich nach 50 Jahren noch immer damit schwer tut, sei unverständlich.