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Regierung soll im Oktober stehen
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Belgien erhält wieder eine Regierung und wendet damit auch die Teilung in ein Niederländisch sprechendes Flandern und ein Französisch sprechendes Wallonien ab.
459 Tage nach den Parlamentswahlen vom Juni 2010 sieht es so aus, als könne es etwa Mitte Oktober wieder eine richtige Regierung geben. Mit massivem Druck und mit Hilfe von König Albert II gelang es dem frankophonen Sozialdemokraten Elio di Rupo einen Kompromiss über die Aufspaltung des bisher gemeinsamen Wahlkreises von Brüssel und der Umlandregion Halle-Vilvoorde zu erzwingen.
Jahrzehntelang hat der Wahlkreis "BHV" schon das politische Klima in Belgien vergiftet, weil er sich für Scharfmacher beider Sprachgruppen bestens eignete.
Die Arbeit sei "noch lange nicht beendet", sagte Di Rupo in der Nacht. Noch gilt es Probleme wie die Finanzierung der Regionen und die Kompetenzverteilung zu lösen. Doch keiner der belgischen Politiker und Kommentatoren konnte sich am Donnerstag vorstellen, dass diese Probleme unüberwindbar seien.
In 6 der 35 Gemeinden von "BHV" gibt es sogenannte "Spracherleichterungen" für Frankophone, von flämischen Nationalisten nur widerwillig hingenommen. In drei Gemeinden warten frankophone Bürgermeister noch immer auf die offizielle Ernennung, weil die Aufsichtsbehörde in Flandern die französisch verfassten Wahlbenachrichtigungen nicht akzeptiert.
Spannungen seit 1830
Hinter all dem stehen Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen. Sie sind seit der Unabhängigkeit von 1830 gewachsen und haben nicht nur kulturelle, sondern auch wirtschaftliche Gründe. Der einst reiche frankophone Süden hängt am Tropf des mittlerweile wohlhabenderen Nordens. Nun soll das jahrzehntealte Problem vor den Stadtgrenzen Brüssels endlich entschärft werden. Für die sechs Gemeinden mit "Spracherleichterungen" wird dieser Status garantiert - und dass sie weiterhin auf den frankophonen Listen Brüssels die Stimme abgeben dürfen. Die nicht ernannten Bürgermeister dürfen vor einem zweisprachigen Gericht klagen. Der Senat, die zweite Kammer, wird umgebaut, weil die neue Architektur der beiden Wahlkreise sonst nicht funktionieren würde.
Politisch ist die Einigung vor allem ein herber Schlag für Bart De Wever, den schwergewichtigen Führer der flämischen Nationalisten. Seine Partei N-VA, die einen eigenen Staat Flandern will, war im Juni 2010 zur stärksten politischen Kraft Belgiens geworden. Monatelang hatte De Wever, zeitweilig selbst Verhandlungsführer, jeden Kompromiss blockiert. Aber er mischt weiter mit. Seine Partei ist in der Regionalregierung Flanderns vertreten. Die muss umsetzen, was beschlossen wurde.