Das ranghöchste Treffen zwischen Taiwan und China seit mehr als einem halben Jahrhundert geht derzeit über die Weltbühne. Der taiwanesische Oppositionsführer und Ex-Premier Lien Chan ist gestern auf dem Festland der Volkrepublik China angekommen. Der Besuch zielt offiziell darauf ab, Spannungen zwischen den zwei Seiten zu lösen. Die regierende Demokratische Fortschrittspartei befürchtet eine Spaltung Taiwans.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es sind die ersten Gespräche zwischen der kommunistischen Partei und den Nationalisten (Kuomintang), seit diese nach dem verlorenen Bürgerkrieg 1949 auf die Insel Formosa (Taiwan) geflohen sind. Ein Treffen zwischen Lien, dem Vorsitzenden der Kuomintang, und dem chinesischen Staats- und Parteichef Hu Jintao ist für Freitag geplant.
"Ich hoffe die Reise wird zur gegenseitigen und Unterstützung und Hilfe beitragen", erklärte Lien. Die Nationalisten sind jahrzehntelang dagegen aufgetreten, Verhandlungen mit Chinas Kommunisten zu führen. Seitdem sie im Jahr 2000 die Macht verloren haben, befürworten sie jedoch zunehmend, engere Banden mit dem Festland zu knüpfen - hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen. Kritiker glauben, dass der Oppositionsführer den Besuch dazu nützen möchte, sein politisches Vermächtnis sicherzustellen. Schließlich gibt er seinen Vorsitz noch dieses Jahr ab.
Am Flughafen von Taipeh kam es beim Abflug Liens zu Tumulten. Dabei stießen Anhänger des Politikers auf dessen Gegner, die ihm den Ausverkauf Taiwans vorwarfen. Die Kontrahenten bewarfen einander mit Steinen, Eiern und Sprengkörpern. Mehrere Menschen wurden dabei verletzt und mussten ins Spital gebracht werden.
Die in Taiwan regierende Demokratische Fortschrittspartei, die für die Unabhängigkeit von China eintritt, fürchtet, dass Peking den Besuch dazu nutzen will, einen Keil zwischen die Bevölkerung zu treiben.
1949 hatte sich nach dem kommunistischen Sieg im Bürgerkrieg die nationalchinesische Regierung der Kuomintang unter Generalissimo Tschiang Kai-schek mit zwei Millionen Anhängern nach Taiwan zurückgezogen. Seit damals bezeichnet die kommunistische Einparteiendiktatur Chinas die Insel Taiwan als abtrünnige Provinz.
Die Beziehungen zwischen der Volksrepublik und Taiwan haben sich seit der Verabschiedung des chinesischen Anti-Abspaltungs-Gesetzes zusehend verschlechtert, das den Einsatz von Waffengewalt vorsieht, sollte Taiwan versuchen, sich unabhängig zu erklären.