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"Historisches Zeitfenster"

Von Clemens Neuhold

Politik

Die Grünen wollen den supergünstigen Sprit dafür nutzen, Ökosteuern im Verkehr zu erhöhen und die Lohnsteuern zu senken.


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Wien. Die Steuerreform ist das größte Rad, an dem eine Regierung drehen kann - mit Ausfahrten in alle Lebensbereiche. Umwelt und Klimaschutz bleiben in der aktuellen Steuerreformdebatte aber das fünfte Rad am Steuerwagen.

Das Hochsteuerland Österreich liegt mit einem Anteil von 6 Prozent Umweltsteuern im untersten EU-Drittel. Margit Schratzenstaller, Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts, mahnt seit Jahren ein grüneres Steuersystem ein. In ihren "Visionen 2025" regte sie an, bei CO2-Steuern, Pkw-Steuern oder höheren Treibstoffpreisen anzusetzen. Im Gegenzug sollten die Steuern auf Arbeit gesenkt werden. Ist bei Dieselpreisen um 1,00 Euro "ein historisches Zeitfenster" gekommen, wie die Grünen sagen?

ÖVP und SPÖ meinen: Nein. Umweltsteuern spielen in ihren Steuerkonzepten keine Rolle. Auch der Abschlussbericht der Expertenkommission - Basis für politische Verhandlungen - verzichtet weitgehend auf ökologische Noten. Das kritisiert der Budgetsprecher der Grünen, Bruno Rossmann. "Das Papier der Reformkommission enthält zur Ökologisierung - von einigen kleineren Anreizen bei der Besteuerung von Firmenwagen abgesehen - rein gar nichts. Klimaschutz ist für die Regierung nach wie vor kein Thema. Sie bemüht sich gar nicht mehr, sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen."

Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter sagte im "Standard"-Interview, er wünsche sich "eine ökosoziale Komponente für die Steuerreform". Doch im selben Atemzug habe er betont, die Autofahrer nicht belasten zu wollen, kritisiert Rossmann. "Den Verkehrsbereich außen vor zu lassen, ist aus zwei Gründen völlig verfehlt. Zum einen, weil er der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen ist; zum anderen, weil der Ölpreis derzeit unfassbar niedrig ist."

Für die Grünen bilden die niedrigen Spritpreise ein "historisches Zeitfenster für Preisimpulse im Verkehr, ohne dass die Konsumenten dies unmittelbar spüren würden". Rossmann fordert eine höhere Mineralölsteuer auf Diesel, eine Lkw-Maut im gesamten Straßennetz, eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe und Energieabgaben. In einem "Grundsatzpapier Ökologische Steuerreform" (Entwurf Ende September) aus Rupprechters Umweltministerium, das der "Wiener Zeitung" vorliegt, wurden solche Vorschläge noch in Erwägung gezogen.

Öko-Reform "liegt nahe"

In der Präambel heißt es: "Internationale Experten, wie zum Beispiel die OECD, empfehlen seit Jahrzehnten einen stärkeren Stellenwert von Öko-Steuern. Die berechtigte Forderung nach einer steuerlichen Entlastung des Faktors Arbeit sowie die gravierenden ökologischen Probleme schaffen ein Umfeld, das einen Umbau des Steuersystems unter starker Berücksichtigung ökologischer Aspekte nahelegt."

Das Papier ist nicht als finale Forderung Rupprechters zu verstehen, dazu ist er zu sehr politischer Realist. Es zeigt aber, wo seine Experten ansetzen würden. Mit einer Erhöhung von Umweltsteuern von 6 auf bis zu 10 Prozent bis 2020 könnten laut Papier jährlich 1,5 bis 2 Milliarden Euro hereinkommen. Das sollte für die Senkung von Lohnsteuern und Lohnebenkosten, für einen Ökobonus und für umweltfreundliche Investitionen ausgegeben werden.

Der Verkehrsbereich wird als zentraler Hebel gesehen: "In einer umfassenden ökologischen Steuerreform muss der Mobilitätsbereich eine zentrale Rolle einnehmen", heißt es im Papier. Als Beispiele für die "aufkommensneutrale" Ökologisierung des Steuersystems werden etwa angeführt: "die Ausdehnung der Lkw-Maut" auf Bundes- und Gemeindestraßen, "die Anpassung der Besteuerung von Diesel an Benzin", "CO2-Abgaben auf fossile Energieträger", die reformierte "Dienstwagenbesteuerung", die "Einführung einer Baustoffsteuer" oder die "Besteuerung von Flächenverbrauch" durch eine Flächenverbrauchsabgabe, eine ökologischere Grundsteuer und reformierte Abwassergebühren.

Autoindustrie ist dagegen

Rupprechters Experten weisen zwar auf "politische Hemmnisse" hin. Etwa, dass Firmen sich im Wettbewerb durch höhere Ökosteuern benachteiligt oder ärmere Bürger sich stärker belastet fühlen als Reichere. Die meisten Hemmnisse könnten aber "überwunden" werden - durch eine stark gesenkte Lohnsteuer, die soziale Abfederung der Öko-Steuern und die Abschaffung schädlicher Subventionen.

Vor einer stärken Belastung des Verkehrs warnt indessen die Autoindustrie. Die Porsche Holding wies auf die erst Anfang 2014 erhöhte Nova (Steuer auf Neuwagen) hin. Die habe den Absatz um 4 Prozent gedrückt. Das habe den Finanzminister durch Verluste aus Nova und Umsatzsteuer sogar noch 71 Millionen Euro gekostet. Nicht nur die starke Autolobby hält wenig von einer grünen Steuerreform. Die Frächter würden gegen eine Lkw-Maut auf allen Straßen wohl selbige blockieren.

Aus Rupprechters Grundsatzpapier floss bisher nur die Besteuerung von Dienstautos in die Debatte ein. Schratzenstaller sitzt aber im neuen Expertenrat des Finanzministers, mit dem Hans Jörg Schelling "über den Tellerrand" blicken will. Vielleicht wird er ja noch ein Fan von Grünzeug.