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Historikerin Heidemarie Uhl: Das Hitler-Geburtshaus in Braunau kann durch erprobte Maßnahmen einer neuen Verwendung zugeführt werden.
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Braunau/Wien. Am besten wäre es, das Geburtshaus Adolf Hitlers in Braunau am Inn einfach abzureißen, sagte Innenminister Wolfgang Sobotka Ende September. Das sei freilich nur seine persönliche Meinung, es obliege der mit dem Thema befassten Expertenkommission, zu entscheiden, was nach erfolgter Enteignung mit der umstrittenen Liegenschaft passieren soll. Hitlers Geburtshaus zieht immer wieder Rechtsextreme und Neonazis aus ganz Europa an. Das Haus als Pilgerstätte für Ewiggestrige unattraktiv zu machen, war deshalb das Ziel der Arbeit der Expertenkommission. Diese spricht sich in ihrem Bericht an das Innenministerium für eine "tiefgreifende architektonische Umgestaltung" des Hauses aus, was den Innenminister am Dienstag umgehend veranlasste, den Abriss des Hauses anzukündigen.
Die Experten aber sind klar gegen einen Abriss, dieser sei einerseits nicht im Sinne des Enteignungszweckes und andererseits drohe die Gefahr, dass Österreich sich der Kritik aussetzen müsste, die Geschichte des Ortes leugnen zu wollen. Die Kommission plädiert daher für eine Verwendung des Hauses als öffentliche oder karitative Einrichtung. Dennoch wird die Frage Abriss oder nicht nach wie vor kontrovers diskutiert, es mehren sich Stimmen, die im Falle eines Erhalts den geschichtspolitischen Fokus auf die Täter sehen, wo es doch gelte, sich der Opfer des NS-Terrors zu erinnern.
Neuer Umgang mit Täter-Orten
Gerade die geschichts- und erinnerungspolitische Nutzung von Täter-Orten aber sei in den letzten Jahren, neben einer umfassenderen Debatte um die Opfer-Orte, verstärkt zu bemerken, erklärt die Historikerin Heidemarie Uhl von der Akademie der Wissenschaften. Das Paradebeispiel für den Umgang mit den Orten der NS-Täter sei das Berliner Projekt "Topografie des Terrors". Ergänzt durch Neubauten und Ausstellungsprojekte wurden in Berlin mit den Zentralen von Gestapo und Reichssicherheitshauptamt belastete Orte mit in ein umfassendes Gedenk- und Ausstellungskonzept aufgenommen. Ein weiteres Beispiel sei das "Braune Haus" in München, wo anstelle der ehemaligen NSDAP-Parteizentrale ebenfalls ein Projekt realisiert wurde. Uhl: "Das sind keine Täterdenkmäler, das sind Dokumentationszentren. Und diese Projekte haben von der Örtlichkeit her oft einen Täterbezug."
Im Falle des Hauses in Braunau aber rät die Historikerin von einem derartigen Projekt, ebenso wie die Expertenkommission, ab. Mit einem Abriss eine leere Fläche zu schaffen, sei aber in jedem Fall eine schlechte Lösung. Dadurch würde der Ort erst recht aufgewertet. "Es geht darum, den negativen Nimbus des Hauses durch Verfahren, die man kennt, so zu neutralisieren, damit das Haus wieder bewohnbar wird", sagt Uhl. Mittels eines Drei-Schritte-Verfahrens könne eine Nutzbarmachung erreicht werden: "Historisieren, kontextualisieren, neutralisieren." Auch was die Orte der NS-Opfer betrifft, habe in den letzten 20 Jahren ein massives Umdenken stattgefunden. Die Debatte über bisher unsichtbare Orte (etwa das KZ Gusen) beschäftige europaweit alle KZ-Gedenkstätten, so Uhl.