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Hitzestrahlen müssen noch warten

Von Georg Friesenbichler

Politik

Nicht-tödliche Waffe der Zukunft? | Hitzewellen sollen Versammlungen auflösen. | Washington/Wien. "Jeder, der vom Strahl getroffen wurde, sprang augenblicklich aus seinem Bereich wegen der plötzlichen Hitzewelle in seinem Körper." So beschrieb ein Journalist kürzlich die Demonstration einer neuen Waffe durch das US-Pentagon.


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Genauso stellt sich das Verteidigungsministerium die Anwendung vor: Kurzwellige Strahlung von Mikrowellen (95 GHz) soll im Körper des Getroffenen eine derartige Hitze erzeugen, dass er sofort die Flucht ergreifen will. Zum Gebrauch kommen könnte diese futuristisch anmutende Waffe gegenüber Menschenansammlungen, die etwa Armeestützpunkte bedrohen. Die Armee meint, so könnte man Terroristen vertreiben, die sich im Schutz von Menschenmengen nähern, ohne gleich von Schusswaffen Gebrauch machen zu müssen. Und dies auf große Entfernung: Anders als etwa Wasserwerfer oder Hartgummigeschosse würden die Strahlen bis zu 500 Meter weit wirken.

Diese "nicht-tödliche Waffe" soll keine schädlichen Folgewirkungen haben. Sobald man dem etwa 1,20 breiten Strahl ausgewichen ist, lässt der Schmerz nach. Die Frequenz soll nur die oberste Hautschicht von 0,5 Millimeter auf etwa 54 Grad aufheizen. Bei rund 10.000 Tests an 600 Personen seien keine langfristigen Schäden wie Krebs oder Verbrennungen aufgetreten.

Trotzdem sind Wissenschaftler nicht ganz beruhigt, was die Harmlosigkeit der Strahlen betrifft. Sie wollen beispielsweise wissen, ob sich die bei gesunden Menschen erzielten Testergebnisse auf Schwangere, Kinder und Alte umlegen lassen. Den von BBC interviewte Experten Steve Wright von der Leeds-Universität beschäftigt ein weiteres Problem: "Was passiert, wenn Leute sich in den ersten Reihen einer dichten Menge befinden und nicht fliehen können?" Er fürchtet, die unsichtbare Hitzewelle könnte in solchen Situationen eine tödliche Panik auslösen.

Für die Betreiberfirma Raytheon, die einst schon den Mikrowellenherd entwickelt hatte, und den Direktor des Programms für nicht-tödliche Waffen ist das "Active Denial System" (etwa "aktives Abschreckungssystem") trotzdem "eine der Schlüsseltechnologien für die Zukunft".

Laut Hersteller zeigen sich schon alle Waffengattungen der US-Streitkräfte interessiert. In Verbindung mit einem automatischen Bewegungsmelder könnte die kleinere, kommerzielle Version mit Namen "Silent Guardian" (Stiller Beschützer) aber auch private Industrieprojekte bewachen. Als Alternative zu herkömmlichen Systemen zu Kontrolle von Menschenmassen interessiert sich die Polizei gleichfalls dafür.

Dies beunruhigt Bürgerrechtler: Sie befürchten, dass die Hemmschwelle der Ordnungshüter bei "nicht-tödlichem" Einsatz sinkt. Als Beispiel nennen sie die bereits eingeführte Elektroschockpistole: Sie würde heute nicht im Fall einer Bedrohung des eigenen Lebens, dem eigentlichen Einsatzgebiet, angewendet, sondern als Disziplinierungsinstrument, ähnlich dem Schlagstock.

Bis zur zivilen Nutzung ist es allerdings noch ein weiter Weg, müssen sich doch auch die Militärs gedulden: 12 Jahre haben Entwicklung und Tests bereits gedauert, vor zwei Jahren sollte ADS schon fertig sein. Die unlängst erfolgte Präsentation sollte eine "Mystifizierung" des Projektes verhindern. Denn wenn es die Bevölkerung mit den aus der Science-Fiction bekannten "Todesstrahlen" in Verbindung bringt, könnte sogar der nun angepeilte Einführungstermin 2010 in Gefahr sein.