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Hitzig oder überlegt

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Die Reaktionen der US-Präsidentschaftskandidaten McCain und Obama auf die Kaukasus-Krise werden Auswirkungen auf die Wahl haben.


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Durch den Georgien-Krieg hat die Welt Gelegenheit bekommen, die unterschiedlichen außenpolitischen Stile von John McCain und Barack Obama näher kennenzulernen. Es ist ein vielsagender Vergleich, der einen Vorgeschmack gibt, wie die beiden Kandidaten als US-Präsidenten auf künftige Krisen reagieren würden.

McCain reagierte hitzig, Obama überlegt. McCain rief nach schneller Aktion, Obama trat für behutsames Vorgehen ein. McCains Blick war auf militärische Fragen gerichtet, Obamas Blick auf Diplomatie. McCain beschwor einen neuen Kalten Krieg herauf, bei Obama spürte man den Wunsch, das Entstehen eines Kalten Krieges schon im Ansatz zu verhindern.

Politisch punkten kann man in den USA üblicherweise mit der harten Gangart, und die Georgien-Krise hat tatsächlich McCain geholfen. Das finde ich aber gerade in diesem Fall erstaunlich, denn besonders hier spricht manches für Obamas zurückhaltende Art: Das vorschnelle Fehldeuten von Signalen und das Unvermögen, sich klar auszudrücken, waren es ja, die in die Krise geführt haben. Es gab jede Menge Rhetorik à la McCain, aber nicht genug Diplomatie à la Obama.

Innerhalb weniger Stunden nach dem Einmarsch gab McCain seiner Entrüstung Ausdruck und verlangte von Russland das sofortige Ende der Militäroperation. "Georgien und Russland müssen nun Zurückhaltung zeigen", war Obamas erste Reaktion.

Was wird wohl bei den Wählern besser ankommen? Normalerweise wäre das eindeutig die aggressivere Haltung. Putins Russland steht auf der politischen Bühne so überzeugend als Bösewicht da und das tapfere Georgien als attraktives Opfer, dass McCains harte Vorgangsweise viel Unterstützung gefunden hat, sogar in der Demokratischen Partei.

Aber wenn es um den Irakkrieg geht, ist man in den USA kriegsmüde und müde des unüberlegten Vorgehens der Regierung Bush, die Menschenleben und Mittel aufs Spiel setzt, ohne Konsequenzen zu bedenken. Möglicherweise werden die US-Bürger doch auf einen Präsidentschaftsbewerber hören, der zuerst nachdenken will, bevor man sich in das Abenteuer stürzt.

Wirklich überrascht sollte von der Georgien-Krise niemand sein, kommt sie doch seit einigen Jahren in Zeitlupe auf uns zu. Die Russen, die mit ihren Absichten nicht gerade hinter den Berg halten, haben mehrmals davor gewarnt, Georgien in die Nato bringen zu wollen. Die US-Regierung hat nicht rechtzeitig darauf reagiert, keine klaren Grenzen gesetzt und keine eindeutige Politik Georgien gegenüber vertreten.

Georgiens Präsident Michail Saakaschwili reizte den russischen Bären daher immer weiter und wagte schließlich den Angriff auf Südossetien. Die US-Regierung wusste, dass er damit in eine Falle tappen würde. Und Regierungsvertreter sagten ihm das sogar - wenn auch nur privat und nicht entschlossen genug.

Das schlimmste Fehlurteil in der jetzigen Lage ist jedoch, dass die Welt in einem neuen Kalten Krieg gefangen sei. Da Putin unfähig ist, dieses Weltbild zu überwinden, wird der nächste Präsident der USA ein ernstes Problem mit Russland haben. Wen werden die US-Bürger in Zeiten dieser Herausforderung wählen? Einen Präsidenten, der unwillkürlich aggressiv reagiert und Konfrontationen heraufbeschwört oder einen Präsidenten, der überlegt und diplomatisch handelt? Bis jetzt gibt es keine eindeutige Antwort darauf, was den Wahlkampf noch spannend machen wird.

Übersetzung: Redaktion