Kopftuchverbot an Universitäten könnte fallen. | Stärkung der Bürgerrechte angekündigt; weniger Macht für Militärs. | Ankara. Adil ist völlig außer sich. "Es fängt schon an: Jetzt wollen sie die Verfassung ändern", wettert der 52-jährige Architekt: "Was kommt als nächstes: die Errichtung eines Gottesstaates?" Er ist nicht der einzige, der hinter den Plänen der islamisch geprägten türkischen Regierungspartei AKP einen Schritt zum Abbau des Laizismus in der Türkei sieht. Kritiker des Kabinetts von Premier Recep Tayyip Erdogan sehen die von Staatsgründer Atatürk eingeführte strikte Trennung von Kirche und Staat in Gefahr.
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Tatsächlich könnte etwa das Kopftuchverbot aufgeweicht werden: Der von einer Expertenkommission ausgearbeitete Verfassungsentwurf sieht vor, das Verbot an Universitäten aufzuheben. Der Religionsunterricht solle sich künftig an den Wünschen der Eltern orientieren - was die bisherige Kontrolle der Religion durch den Staat lockert. Gleichzeitig wird aber auch festgestellt, dass die Religionsfreiheit nicht für Aktionen gegen die demokratische Verfassungsordnung missbraucht werden darf.
Überhaupt werde die Türkei mit der neuen Verfassung zu einer "Demokratie erster Klasse", meinte Außenminister Ali Babacan. Immerhin werden die Bürgerrechte gestärkt und die Macht der Armee wird eingeschränkt. So soll die Meinungsfreiheit ausgeweitet werden, die bei einer potenziellen "Bedrohung der staatlichen Einheit" noch enge Grenzen hat. Auch soll neben der bisher vielbeschworenen Einheit auch die Vielfalt ihren Platz finden - was etwa kurdischsprachigen Unterricht in Schulen ermöglichen könnte. Ein ausdrückliches Folterverbot ist ebenfalls vorgesehen.
Auf Beratungen folgt ein Referendum
Wie in allen anderen Staaten, die sich auf ihren EU-Beitritt vorbereiteten, schaffen die Verfassungsänderungen ebenso die Bedingungen dafür, Souveränitätsrechte an internationale Institutionen abzugeben. Für Unmut unter der Armeeführung könnte sorgen, wenn sie künftig dem Verteidigungsminister statt dem Premier Bericht erstatten müsste. Die derzeitige - 1982 erlassene und von den Militärs diktierte - Verfassung sieht eine Sonderstellung der Armee vor.
Als Gegenentwurf dazu positioniert die Regierung nun die "zivile Verfassung" auf Basis der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Text werde mit anderen politischen Parteien und Verbänden diskutiert, erklärte Erdogan, dessen AKP die absolute Mehrheit im Parlament hält. Mehrere Organisationen haben bereits ihre eigenen Entwürfe angekündigt.
Bis Jahresende sollen die Beratungen abgeschlossen sein. Danach soll das Volk über die neue Verfassung abstimmen.