Die geografische Verortung Oberösterreichs ist relativ einfach. Wer uns Mostschädl aber wirklich kennenlernen will, muss genauer ins Hoamatland einischauen. Ein ABC aus gegebenem Anlass.
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Aussi: Hinaus! Und außerdem "auffi" (hinauf - das Gegenteil von "obi", hinunter), "ummi" (hinüber) oder "viri" (nach vorne)! "Grüß Gott" in Oberösterreich, wo die Leute noch klingen, wie sich die Mundln von Wien im Regelfall einen Bauern vorstellen. Die Betonung liegt übrigens auf "Grüß Gott", weil "Guten Tag" oder "Grüß Sie" nur die Mundln sagen, "di wos koan Heagod net kennan" (die gottlos / womöglich der Sozialdemokratie verpflichtet sind). Zieht der Bauer nach Wien (Oberösterreichisch: "auf Wean"), könnte er sich aus Integrationsgründen bemühen, statt "auffi" "rauf" zu sagen. Vermutlich aber lässt er es bleiben, weil es bei ihm ohnehin nur gezwungen und "södsom" (seltsam) klingt. Oberösterreicher gelten als stur und veränderungsresistent (kritisch betrachtet), aber auch als angenehm, weil gemütlich, geerdet und beständig. Lieblingswörter: "Longsom!" (langsam), "na!" (nein). Das "i" am Ende von "aussi" ist übrigens symptomatisch. Siehe auch "Hümmi" (Himmel) oder "Schümmi" (Schimmel).
Bratlpappn: Rundliche Gesichtsausformung, die aus Bratl-in-der-Rein-Abusus entsteht. "Bratl in der Rein", Schweinsbraten im Bräter serviert - in den zu den mitgebratenen Kartoffeln und dem geviertelten Stöckl-Kraut auch noch Knödel kommen -, gilt in Oberösterreich nicht nur als Grundnahrungsmittel, nein, es gilt auch als Menschenrecht. Und es erklärt Gemeinsamkeiten mit dem bayerischen Nachbarn. Siehe auch I wie Innviertel.
Drawig: Grundsätzlich stellt sich angesichts der Hektomatikwelt da draußen die Frage: "Jo spinnan denn di?" ("Haben die einen an der Waffel?"). Manchmal, wenn er etwa zum Frühschoppen muss und schon spät dran ist, hat es aber auch der Oberösterreicher sehr eilig. Weil die Vorbehalte gegen diesen Zustand so groß sind, wurde ein Codewort dafür erfunden, das außerhalb von ob der Enns niemand versteht. "Heit ho i’s owa wieda drawig!" ("Heute sind meine Zeitressourcen wieder schockierend verknappt!"). Gehen Sie dieser Person aus dem Weg. Oder spendieren Sie ihr einen Schnaps.
Eferding: Der Gemüseladen und das Biokistl von Oberösterreich. In Eferding, da haben die Bauern die dicksten Kartoffeln, die krümmsten Gurken und das rescheste Kraut. Und stell dir vor: Der Salat, der ist in Eferding noch grüner, als der Landeshauptmann im Hoamatland schwarz ist! Eingekocht und eingelegt wird die Ernte als Supermarktware bis in die Bundeshauptstadt (also "auf Wean") exportiert.
Erdöpfikas: Kartoffelhaltiger Aufstrich, Spezialität aus OÖ. Gekochte mehlige Erdäpfel werden mit Zwiebel, Sauerrahm, Butter und Kümmel verarbeitet. Abgeschmeckt mit Salz und Pfeffer, bestreut mit etwas Paprikapulver und frischem Schnittlauch auf einer Scheibe Bauernbrot serviert ein absolutes Ereignis. Und ein Wunder: Dafür werden sogar gestandene Bratlpappn freiwillig auf Fleisch verzichten!
Griass di!: Dem Hang zur Sozialdemokratie unverdächtige Grußformel, die (fast) jedem zuteilwerden kann. Auch Unbekannten wie zum Beispiel "di Urlauba", den Touristen, sowie "di Zuagroaßten", also den Neuankömmlingen in der Gemeinschaft. (Den Dativ mag man in Oberösterreich übrigens nicht so gerne. Siehe auch: "Heit gemma mit di Hund schbazian", heute gehen wir mit den Hunden - quasi: mit die Hunde - spazieren). Aber auch bei der Begrüßung von demütig als ranghöher Empfundenen denkbar ("Griass di, Bürgamoasta", "Griass di, Herrdogda!"). Wichtige Wörter mit "G" sind in Oberösterreich außerdem: "Godi" und "Ged" (Taufpatin und Taufpate; sprachlich näher an den im Englischen noch heute erhaltenen Bezeichnungen "Godfather" und "Godmother"); sowie vor allem das ", goi?" (gell?) am Satzende, für das auch die Höflichkeitsform existiert ("goin’s?" - quasi: gell, Sie?). Wird ungefähr so verwendet wie in Vorarlberg das ", odr?" oder in Bayern das ", gay?".
Hoamatland: Die urige bis urtypische Bezeichnung für Oberösterreich geht auf den "Hoamat-
gsang" (Musik: Hans Schnopfhagen. Text: Stelzhamer Franz) zurück, der seit 1952 offiziell die Landeshymne stellt. Achtung: Muss andächtig und mit großer Demut gesungen werden! Politisch übrigens dankbar, weil darin keine Söhne vorkommen, dafür aber Muadern, Hünderl und, na gut, Herrn dann doch.
Huckableim: "Huckableim" oder "Hucknbleim", egal, Hauptsache noch nicht nach Hause! Man bleibt also sitzen, bevorzugt im Wirtshaus. Allerdings fällt einem zu diesem Thema noch etwas anderes ein. Seit dem Jahr 1977 hat Oberösterreich erst zwei Landeshauptmänner erlebt. Josef Ratzenböck wurde 1995 von Josef "Sepp" Pühringer abgelöst, der aktuell mit dem brutal kreativen Wortspiel "Sepp-verständlich!" wahlwirbt. Was die Steherqualitäten der Landesfürsten als "Huckableiba" betrifft, braucht sich Oberösterreich also nicht vor Niederösterreich oder Wien zu verstecken!
Innviertel: Kein In-Viertel im Sinne von Neubau, Kreuzberg und Shoreditch. Stattdessen besagt ein altes Sprichwort: "Wenn d‘ Innviertler keman, hoast’s umi- rucka!" Im Innviertel, da sind sie mit der Faust so schnell wie die größten Giftler beim Radlfahren im gelben Trikot, da fliegen die Watschen tiefer, als die Flieger von Hörsching aus weit, ja roh sind die Mannsbilder dort, wie dem Nitsch seine Blutbilder nicht werden! Neben dem Bratl und dem Bier und der wunderbar deftigen Restkost zwischen Brat-, Grammel- und Speckknödel haben die erst seit 1779 zu (Ober)-Österreich gehörenden Innviertler von ihrer Zeit in Bayern also auch die Sitten behalten. "Höf da God!" (Gnade dir Gott! Aber auch synonym für "Gesundheit!" gebraucht), wenn dir so ein Innviertler blöd kommen sollte.
Linz: Mit nicht ganz 200.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Österreichs. Hat angeblich eine U-Bahn (haha!) und einen Flughafen (bruhaha!), definitiv aber in den letzten Jahren einen Modernisierungsschub erlebt und ebenso legendäre Fußballvereine wie solche mit legendären Namen (LASK, SV Chemie Linz, SV Stickstoff Linz) vorzuweisen. Eine der kulinarischen Spezialitäten der Stahlstadt, der Leberkäse vom Leberkas Pepi, wird nun endlich auch in die Bundeshauptstadt (wir wissen: "auf Wean") exportiert. Historisch betrachtet hatte Adolf Hitler große Pläne mit Linz. Er ist also nicht nur an der Kunstuni oder mit dem Zweiten Weltkrieg gescheitert.
Most: Obwohl das Mostviertel in Niederösterreich liegt, wird doch vor allem der Oberösterreicher als Mostschädl bezeichnet. Geht man davon aus, dass der einstige Reichtum der Großbauern und deren prächtige, im Landschaftsbild bis heute verankerten Vierkanthöfe ökonomisch mit dem damaligen Mostausstoß in Verbindung standen, darf man sich über den aktuellen Status des Getränks ("gibt es auch") wundern. Immerhin zeigt der (französische) Cidre oder der (britische) Cider vor, wie man mit etwas Marketing und hippen jungen Menschen mit Durst auch heute noch gutes Geld aus einem zumindest artverwandten Produkt machen kann.
Nöbi: Nebel. Etwa zwischen Atter- und Traunsee zwar atemberaubend schön anzusehen, leider aber so weit verbreitet, dass man von ihm zu oft aus dem Verkehrsfunk erfährt. Vorsicht im Bereich Regau, der auch als Dampfkammer und Proletendisco bekannten Teilstrecke der Westautobahn!
Ried im Innkreis: Im Epizen-
trum des Innviertels (wir erinnern uns!) ist man nicht nur in Sachen Bier gerne blau - sondern seit der Nationalratswahl 2013 mit der FPÖ als stimmenstärkster Partei endgültig auch in politischer Hinsicht. Das passt. Immerhin setzte Jörg Haider hier traditionell am Aschermittwoch einst "Ausländer" mit einer "Landplage" gleich, wenn er nicht gerade Jacques Chirac ("Westentaschen-Napoleon") oder Ariel Muzicant, den ehemaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde ("Dreck am Stecken"), diffamierte. Obwohl die FPÖ in Oberösterreich aktuell mit dem Spruch "Sichere Grenzen, sichere Heimat!" wirbt, gewährt man dem aus Mundlstadt stammenden HC Strache in Ried im Innkreis übrigens sehr gerne Asyl. Er darf dort dann den Westentaschen-Jörg-Haider geben.
Soiz: Salz. Neben dem schwarzen Gold (der einst in der Hausruck-
region abgebauten Braunkohle) als weißes Pendant vormals zen-
traler Rohstoff des Bundeslands und des (bundesländerübergreifenden) Salzkammerguts. Als Wirtschaftsmotor heute von Stahl (Voestalpine), (Viskose-)Fasern (Lenzing AG) oder Motoren (Steyr Motors) abgelöst. Mit zu besichtigenden Salzbergwerken etwa in Hallstatt für Touristen bestimmt interessant. Dem Oberösterreicher hingegen vor allem als i-Tüpfelchen auf dem (in Wien nur als Schatten seiner selbst erhältlichen) Mohnflesserl von größter Bedeutung.
UNO: Manch einer vermutete, die Vereinten Nationen hätten auch in Oberösterreich eine Filiale eröffnet. Dabei galt das im Volksmund als "UNO City" bekannte "UNO Shopping"-Einkaufszentrum in Leonding (Eröffnung 1990) als einer der Vorreiter des US-Shoppingmalltums auf (ober-)österreichischem Boden. Heute herrscht dort Verödung und Trostlosigkeit.
Volkstanz: Könnte eine gute Ausrede dafür sein, wenn sich erwachsene Männer vom Land gegenseitig die in Krachledernen steckenden Hinterteile tätscheln wollen. Wer entsprechende Gruppenchoreografien (eine Erweiterung des klassischen, überwiegend als Soloperformance bekannten Schuhplattlers) einmal gesehen hat, wird sie nicht vergessen. Auf geht’s, Buam!
Zom, Zom, Zom! Gebrüllter Trinkspruch, auf Zeltfesten gefolgt von Flaschen-, Krug- und Gläsergeklirre sowie zumeist auch dem Fall der ersten Männer und der Ankunft der Rettung. Eine Frage, die man dann stellen könnte: "Hättat’s es net enter kemma kinna?" ("Hättet ihr nicht früher kommen können?"). Ja, wir Oberösterreicher können nicht nur wie Bauern, sondern ein klein wenig auch wie die Nerds von der LAN-Party reden. Seltsames Völkchen! Aber schon sehr in Ordnung.
Andreas Rauschal, widmet sich in der "Wiener Zeitung" vor allem der Popkultur. Er wurde 1984 in Vöcklabruck, Oberösterreich, geboren und lebt seit 2002 in Wien.