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Überraschendes Ergebnis einer neuen Expertenstudie. | Homburg. Wenn mit einfachen Mitteln Krankheiten vorgebeugt oder gar Heilung erreicht wird, ist das immer eine tolle Sache. Oft genügt allerdings bereits der Glaube daran. Deshalb erfreuen sich Vitaminpräparate besonderer Beliebtheit. Vitamin C, in hohen Dosen, steht dabei so ziemlich an der Spitze. Kein Wunder, denn Lobbyisten werben bisweilen mit ganzseitigen Zeitungsannoncen dafür und appellieren damit an den Vorbeugungswillen gegen Krebs, Grauen Star, Demenz, Arteriosklerose, Rheuma, Hepatitis und Diabetes mellitus.
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Zwar haben seriöse Studien inzwischen tatsächlich positive Effekte bei manchen Leiden nachgewiesen. Allerdings tötet Vitamin C etwa Krebszellen im Labor nur dann, wenn es in ultrahohen Dosen injiziert wird, wie auch in den höchstdosierten Präparaten nicht erreicht werden können.
Oft genügt der Hinweis: Schützt vor z. B. Diabetes. Gerade in diesem Fall ist das aber eben nicht der Fall, haben aktuell Wissenschafter aus Jena, Leipzig, Potsdam und Harvard in einer gemeinsamen Veröffentlichung gezeigt.
Kontraproduktiv
Dass Bewegung gesund ist, dürfte inzwischen nur noch von unverbesserlichen Couch-Potatoes bestritten werden. Wer hingegen glaubt, dass Bewegung plus Vitaminpräparate besonders positive Effekte erzielen, den muss der Ernährungswissenschafter Professor Michael Ristow von der Uni Jena enttäuschen. "Die gesundheitsfördernde Wirkung von körperlicher Bewegung wird durch die Einnahme von sogenannten Antioxidantien in Form von Vitamin C und E sogar unterdrückt", fasst er die gemeinsam mit Kollegen gewonnenen Erkenntnisse zusammen, die nun im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)" veröffentlicht wurden.
Als Antioxidantien werden jene Stoffe bezeichnet, die zellschädigende Sauerstoffradikale abfangen. Solche Radikale entstehen zum Beispiel beim Ausdauersport und lassen - vereinfacht gesprochen - die Gefäße "rosten".
"Es ist jedoch so, dass die durch Sport kurzfristig vermehrt gebildeten freien Radikale selbst die körpereigene Abwehr gegen reaktive Sauerstoffspezies erst in Gang setzen", erläutert Ristow das von ihm entwickelte Prinzip der Mitohormesis. "Freie Radikale wirken langfristig wie ein Impfstoff gegen oxidativen Stress. Antioxidatien unterdrücken dagegen die körpereigene Produktion von freien Radikalen - und damit diesen Impfeffekt."
"Gute" Freie Radikale
Die aktuelle Untersuchung legt auch nahe, dass Freie Radikale sogar den Blutzuckerstoffwechsel verbessern und damit möglicherweise das Diabetes-Risiko senken können. Die Gründe dafür laut Ristow: "Durch körperliche Bewegung werden die Mitochondrien (die Kraftwerke in den Zellen) stärker aktiviert und damit die Produktion Freier Radikale angekurbelt."
Parallel dazu haben die Wissenschafter einen Anstieg der Aktivierung von Genen gemessen, die regulierend auf die Insulinempfindlichkeit wirken - allerdings nur bei denjenigen Studienteilnehmern, die keine Vitaminpräparate eingenommen hatten.
"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die durch Bewegung gebildeten Freien Radikale einer Insulin-Resistenz entgegenwirken", so Ristow. "Das bedeutet, dass zeitweiliger oxidativer Stress durchaus eine wichtige Rolle bei der Verhinderung von Typ-2-Diabetes mellitus spielen kann." Ein Effekt, der jedoch durch die Einnahme von Vitamin C und E zunichte gemacht werde.
"Wir müssen sogar davon ausgehen, dass Antioxidantien das Diabetes-Risiko eventuell erhöhen, indem sie die Bildung Freier Radikale verhindern", so der Ernährungswissenschafter.
Obst und Gemüse
Für Gesundheitsbewusste bestehe allerdings kein Grund zur Sorge. Der gesundheitsfördernde Effekt von frischem Obst und Gemüse bleibe unbestritten und sei durch Vitamintabletten nicht zu ersetzen.