Non-Fungible Tokens sorgten zuletzt für viel Aufsehen. Ist der Hype um digitale Besitztümer nun wieder vorbei?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Mit einer "digitalen Liebeserklärung" warb das Wiener Belvedere, als am Valentinstag dieses Jahres das hauseigene NFT-Projekt an den Start ging. Das Gemälde "Der Kuss" von Gustav Klimt wurde kurzerhand in 10.000 virtuelle Ausschnitte zerlegt, welche sich Interessierte als "Non-Fungible Token" sichern konnten. Auch der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) startete im Frühjahr 2022 eine NFT-Kollektion. Ausgewählte Spielerinnen und Spieler können dabei als digitale Sammelkarte erworben werden.
Doch was sind NFTs eigentlich genau? "Sie dienen zur Kennzeichnung und nachvollziehbaren Transaktion von ‚digitalen Originalen‘", erklärt Gerhard Laga, Vorstand des Vereins "AUSTRIAPRO" in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Im Unterschied zu Kryptowährungen sind sie nicht-austauschbar (Non-Fungible) und existieren nur ein einziges Mal. NFTs machen sich die Blockchain zunutze, eine Art dezentrale Datenbank, die Aufschluss über die Besitzverhältnisse gibt. Dabei wird hauptsächlich auf die Ethereum-Blockchain mit dem Zahlungsmittel Ether (ETH) zurückgegriffen. "Wir stehen bei NFTs und den ,Use cases‘ erst am Anfang, Anwendungen sind jedoch für alle werthaltigen Güter oder auch Leistungen denkbar", sagt Laga.
Eine breite gesellschaftliche Aufmerksamkeit erreichten NFTs im März letzten Jahres, als das Londoner Auktionshaus "Christie’s" erstmals ein NFT-Kunstwerk versteigerte. Die digitale Collage des Künstlers "Beeple" brachte 69 Millionen US-Dollar ein.
Kurs im freien Fall
Nun stellt sich die Frage, ob die digitalen Besitztümer als nachhaltiges Investment gesehen werden können oder nur eine kurze Glanzzeit erlebten. Daten der Analyseplattform "Dune" lassen aus aktueller Sicht auf Zweiteres schließen. So lag das tägliche NFT-Handelsvolumen auf sieben gängigen digitalen Marktplätzen zu den Spitzenzeiten Anfang des Jahres bei mehr als einer Milliarde US-Dollar. Anfang Juli pendelte sich das Handelsvolumen bei rund 20 bis 30 Millionen US-Dollar pro Tag ein. Ein Faktor für die abflauende Nachfrage: der fallende Ether-Kurs. Vom Allzeithoch im vergangenen November, als ein Ether mehr als 4.800 US-Dollar wert war, ist man derzeit weit entfernt. Aktuell bekommt man einen ETH für knapp 1.500 US-Dollar. Ein Verfall von rund 70 Prozent.
Aus diesem Grund ist auch der Preis von NFTs als sehr volatil einzuschätzen. Das Belvedere setzte beim Projektstart einen Stückpreis von 1.850 Euro fest. Auf dem digitalen Marktplatz "OpenSea" zahlte man für die digitalen "Kuss-Schnipsel" in den vergangenen 90 Tagen im Durchschnitt 0,4 Ether, umgerechnet rund 600 Euro. Die ÖFB-NFTs waren beim "Launch" für 200 Euro zu haben. Im 90-Tages-Schnitt liegen sie aktuell bei etwa 158 Euro. "Gerade deshalb sagen NFT-Begeisterte, dass jetzt eine gute Zeit ist, in das Thema einzusteigen, weil die Kosten in Euro entsprechend gefallen sind", so Laga.
EU strebt Regulierung an
Nach den jüngsten Marktverwerfungen verständigte sich die Europäische Union Anfang Juli als erste große Wirtschaftsregion auf eine Regulierung von Kryptowährungen. Das Regelwerk "Markets in Crypto Assets" (MiCA) soll Ende 2023 in Kraft treten und Verbraucher vor Risiken in Verbindung mit Kryptowerten schützen. "Ob und wie NFTs von diesen Regelungen umfasst werden, ist noch offen, da NFTs darin nicht ausdrücklich angesprochen werden", weiß Laga.
Doch Kryptowährungen stehen nicht nur hinsichtlich betrügerischer Praktiken und Geldwäsche in der Kritik, auch ökologische Faktoren spielen eine Rolle. Nach Bitcoin ist Ether der zweitgrößte Energieverbraucher im Kryptobereich. Die kryptokritische Website "Digiconomist" schätzt, dass Ethereum jährlich mehr als 50 Terawattstunden an Strom verschlingt, zu vergleichen mit dem Verbrauch eines Landes wie Rumänien. Ursächlich dafür sind von Computern durchgeführte, aufwendige Berechnungen, welche die Sicherheit und Unveränderlichkeit der jeweiligen Blockchain gewährleisten sollen.
"Diese Kritik wurde in der Blockchain-Community ernst genommen. So befindet sich die Ethereum-Blockchain gerade in einem Umstellungsprozess, bei dem das ‚Proof-of-Work‘-Verfahren auf das ressourcenschonende ‚Proof-of-Stake‘-Verfahren umgestellt wird", hält Laga fest. Damit könnte der Energieverbrauch um bis zu 99,95 Prozent sinken, sagt Marcus Dapp, Forschungsleiter beim Kryptodienstleister Bitcoin Suisse.
Jedenfalls ist das Handeln und Spekulieren mit NFTs nicht der alleinige Reiz der Sache. Der ÖFB belohnt seine NFT-Besitzer unter anderem mit Tickets oder Meet & Greets mit Spielern. Das Belvedere Museum beglückt seine NFT-Halter mit kostenlosen Jahreskarten. Und wie beim Sammeln im "realen Leben" steht auch in der digitalen Welt eine individuelle Wertzuschreibung im Mittelpunkt. Ob sich NFTs - von Hypes und Vorlieben internationaler Trendsetter geprägt - als nachhaltiges Investment oder kurzzeitiger Boom erweisen, wird man sehen, so Laga.