Zum Hauptinhalt springen

Hoch hinaus

Von Alexandra Grass

Wissen
Der Cuncaicha-Felsüberhang ist von Zeichnungen und Rußspuren geprägt.
© Sciencemag/Kurt Rademaker

Forscher fanden in den Anden die älteste menschliche Siedlung in hoher Lage.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Calgary/Wien. Die Lebensbedingungen für den Menschen sind ausgesprochen rau in den peruanischen Anden auf 4500 Meter Seehöhe. Der geringere Sauerstoffanteil erfordert eine höhere Kalorienaufnahme und auch die extreme Kälte, die höhere Sonneneinstrahlung und die karge Landschaft machen das Überleben zu einer Herausforderung. Und dennoch siedelten sich dort vor etwa 12.000 Jahren Steinzeitjäger an, wie Archäologen in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts "Science" berichten. Die Anpassung des Menschen an derartige extreme Umweltbedingungen könnte schneller oder früher als bisher gedacht stattgefunden haben.

"Wir wissen nicht, ob die Leute dort das ganze Jahr über gelebt haben, aber wir nehmen stark an, dass sie nicht nur für ein paar Tage zur Jagd dort waren", erklärt die Archäologin Sonia Zarrillo von der University of Calgary. Zeichnungen an den Wänden und Rußspuren sind deutliche Zeichen dafür, dass das Pucuncho Becken einst ein Wohnort war. Vor allem der Cuncaicha-Felsüberhang hat es den Forschern an der Grabungsstätte angetan. Die dortigen Funde reichen 12.800 bis 11.500 Jahre zurück. Die Besiedelung in dieser Höhe hat damit schon ein Jahrtausend früher stattgefunden, als es bisher dokumentiert war.

Vielerlei Aktivitäten

Und auch ganze Familien scheinen in dieser unfreundlichen Gegend gelebt zu haben, denn die Archäologen fanden Spuren vielfältiger Aktivitäten: etwa Schädelfragmente, Tierüberreste und Steinwerkzeuge. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass die Tiere in unmittelbarer Nähe der Steinzeitjäger lebten.

Viele der Steinwerkzeuge von Cuncaicha bestehen aus Gesteinsarten wie Obsidian, Andesit und Jaspis. Die Archäologen gehen davon aus, dass Jagen und Schlachten auf der Tagesordnung standen. Die Knochenfunde geben Zeugnis davon, dass Lamaarten wie Vicuñas und Guanacos sowie Taruca-Rehe gejagt wurden. Später wurden dort auch Alpacas und Lamas gehalten.

"Die Steinwerkzeuge waren nicht nur zur Jagd bestimmt. Darunter fanden sich ebenso Werkzeuge zur Herstellung von Kleidung, Taschen oder Decken", erklärt Zarrillo weiter.

Genetische Anpassung

Eine populäre wissenschaftliche Theorie geht davon aus, dass eine genetische Anpassung Voraussetzung für das Leben in hohen Lagen ist. Ähnlich wie es bei der heutigen Bevölkerung der Anden der Fall ist, heißt es in der Studie. Die dortigen Bewohner hätten eine höhere Stoffwechselrate, eine größere Lungenkapazität und eine höhere Konzentration von Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) im Blut. Hämoglobin ist im Körper für den Sauerstofftransport zuständig. Ein höherer Wert erlaubt dem Körper, einen gewissen umweltbedingten Sauerstoffmangel besser überwinden zu können.

Jetzt gelte es herauszufinden, ob die damalige Bevölkerung aus biologischer Sicht ebenso angepasst war, oder ob sie eben immer nur für kurze Zeit diese unwirtliche Gegend besiedelte. Das herauszufinden ist das Ziel der Forschung.

Zarrillo glaubt, dass auch andere Grabungsstätten in der Region diesbezüglich das Potenzial für zukünftige bahnbrechende Erkenntnisse tragen könnten, auch weil sie so gut erhalten sind. Studien über die Anpassung des Menschen an extreme Verhältnisse tragen zum Verständnis über unsere kulturellen und genetischen Möglichkeiten des Überlebens bei, betont der Anthropologe und Studienleiter Kurt Rademaker von der University of Maine abschließend.