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Bei der Westbalkan-Konferenz in Posen wurden auch die Volten der jüngeren europäischen Geschichte greifbar.
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Seit fast hundert Jahren ragt er schon in die Luft, der Spitzturm am Messegelände. In Poznan wurde die Stahlkonstruktion zu einem der Symbole der westpolnischen Stadt - wenn auch nicht so berühmt wie die Renaissance-Häuser am Alten Markt und die zwei Ziegenböcke aus Metall, die jeden Tag zur Mittagszeit auf einer kleinen Plattform aus dem Rathausturm geschoben werden und ihre Hörner aneinanderstoßen. Aber die Internationale Messe Posen gehört eben auch zur Stadt.
Vor ein paar Jahrzehnten noch war sie ein Fenster zur Welt. Die meisten Polen durften unter dem sozialistischen Regime nicht reisen, zu kaufen gab es in den Geschäften kaum etwas, die Straßen wirkten trist. Doch regelmäßig hielt die Welt Einzug in Posen. Durchs Zentrum kreisten ausländische Autos, spazierten Männer und Frauen in eleganten Anzügen und Kleidern. Wer sich den Eintritt zur Messe leisten konnte, sah einen Hauch von Westen. Abgesehen davon bot die Veranstaltung begehrte Verdienstmöglichkeiten für Studenten etwa, wenn auch nur für einige Tage.
Halina erhielt so einen Job durch Bekannte. Von früh bis spät kochte sie Tee und Kaffee in einer der Ausstellungshallen. Aber was ihr von der Messe am hellsten in Erinnerung geblieben ist, sind die Prospekte. Broschüren, die die Aussteller aus ganz Europa verteilt haben. Sie waren bunt, voller Bilder, auf Hochglanzpapier - in einer Zeit, als in Polen Papier reglementiert und nur in einer Form zugänglich war: grau, rau, grob fasrig. "Heutzutage kann sich das niemand mehr vorstellen", erzählt Halina. "Aber damals waren die Prospekte etwas besonderes. Egal, was darauf war, welches Produkt beworben wurde - die Leute haben sie gesammelt und später stolz einander gezeigt."
Jugoslawien war damals aus polnischer Sicht Teil des Westens, ein kapitalistisches Land. Die Menschen dort durften nach Österreich oder Deutschland reisen, private Unternehmer sein. Doch dann kamen die 1990er-Jahre. Die kommunistischen Regime in Osteuropa waren gestürzt, und in Südosteuropa zerfiel Jugoslawien. Die Polen erhielten Reisefreiheit und traten der EU bei. Serben, Mazedonier, Montenegriner brauchten ein Visum, um in die EU fahren zu können - Kosovaren benötigen es bis heute. Sie alle bemühen sich nun um eine Annäherung an die Europäische Union.
In Poznan kamen Vertreter dieser Länder zu einer Westbalkan-Konferenz zusammen, die auf dem Messegelände ausgerichtet wurde. Es gab viele Zusicherungen, dass Polen, Deutschland, Österreich die Länder Südosteuropas unterstützen würden. Doch müssten diese sich weiter anstrengen - bei der Bekämpfung von Korruption, der Stärkung des Rechtsstaats. Dass dies ausgerechnet in einem EU-Land eingemahnt wird, dessen umstrittene Justizreform auf dem Prüfstand steht, sorgte auch für Kritik. "Es ist ein beunruhigendes Signal an die Beitrittskandidaten: dass ein Land EU-kompatibel sein kann, auch wenn es Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit hat", kommentiert etwa Florian Bieber, Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien an der Universität Graz.
Doch wie ein ranghoher EU-Beamter meinte: Wer schon Mitglied im Klub ist, kann sich mehr leisten als jemand, der erst beitreten will.