Zum Hauptinhalt springen

Hochschullandschaft im Umbruch

Von Walter Hämmerle

Wissen

Seit der Einführung der Bakkalaureat-Studien im Herbst 2000 gibt es auch an Österreichs Universitäten das dreigliedrige Studienssystem. Die Universitäten selbst haben es nun in der Hand, ob sie im alten zweigliedrigen System mit Magisterium und Doktorat verbleiben oder auf das neue System - Bakkalaureat, Magisterium, Doktorat - umsteigen. Für Gerhard Riemer, Bildungsexperte der Industriellen Vereinigung (IV), gibt es keine Alternative zum neuen System. Allerdings stehe Österreich beim Umbau seiner Hochschullandschaft erst am Anfang eines schwierigen Entwicklungsprozesses.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der anfänglich nur sehr zögerlichen Inanspruchnahme des neuen Angebots folgte in den letzten Jahren ein regelrechter Ansturm: Allein im nun beginnenden Wintersemester 2003/04 hat sich die Zahl der Bakkalaureat-Studien an den österreichischen Universitäten von 74 auf rund 150 Studienangebote nach dem neuen System verdoppelt.

Allerdings bedeutet diese Verdoppelung nicht, dass ebenso viele Diplomstudien umgewandelt wurden. Vielmehr wurden bei der Umstellung einfach einzelne Studienrichtungen in mehrere Bakkalaureat-Studien aufgesplittet. So kann man jetzt etwa an der Uni Wien nicht mehr Finno-Ugristik studieren, sondern muss die Wahl zwischen einem Bakkalaureat für Hungarologie oder für Fennistik treffen. Andere Angebote treffen eine Differenzierung dagegen erst im anschließenden Magisterstudium.

Bakkalaureat: Neuerung mit europäischem Hintergrund

Die Einführung des dreigliedrigen Studiums ist seit der so genannten "Bologna-Erklärung" von 1999 ein erklärtes Ziel der EU. Damit soll durch eine vergleichbare Studienstruktur die Mobilität von Studenten gefördert sowie die Vergleichbarkeit von Studienabschlüssen gesichert werden.

Für Riemer hat ein kleines Land wie Österreich gar keine andere Möglichkeit, als sich diesem Trend zu einem gesamteuropäischen Hochschul- und Bildungsraum anzuschließen. Gerade die Wirtschaft müsse im Sinne ihrer Konkurrenzfähigkeit an den Zielen der "Bologna-Erklärung" interessiert sein. Allerdings befinde man sich, was die Reform der österreichischen Hochschullandschaft betrifft, erst am Beginn eines Entwicklungsprozesses, lässt Riemer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" keinen Zweifel, dass noch ein langer Weg vor den Unis liegt. So muss es für die kommenden Jahre die Aufgabe der derzeit in Umsetzung begriffenen Unireform sein, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass Bildungsinvestitionen sowohl der breiten akademischen Ausbildung als auch der Spitzenförderung in Wissenschaft und Forschung zugute kommen; der stark praxisorientierte Bereich der Fachhochschulen (FH) - nach dem beachtlichen Ausbau der letzten Jahre - bedarf nun einer Konsolidierung; und die Universitäten stehen vor der Herausforderung, ihr breites Angebot an Studienrichtungen sukzessive zu straffen und zu überarbeiten. Dass nun etwa ein Fach wie Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Uni Wien als dreisemestriges Bakkalaureat-Studium angeboten wird, ist für den Bildungsexperten der Industrie der richtige Weg: "Österreich ist hier wesentlich weiter als andere Länder, die ebenfalls ihren Hochschulbereich reformieren müssen."

Die Hochschullandschaft

Österreichs im Jahr 2015

Wird dieser Weg erfolgreich zu Ende gegangen, so wird sich, ist Riemer überzeugt, in sagen wir 10, 12 Jahren Österreichs Hochschullandschaft in drei Bereiche teilen: Ein Bereich wird sich um Topleistungen auf internationalem Niveau in Wissenschaft und Forschung kümmern. Dies werden entweder kleine eigenständige Universitäten sein oder aber wesentlich geschrumpfte Einheiten innerhalb der heutigen Hochschulen. Neben diesem Bereich für Spitzenleistungen wird es einen zweiten, gut ausgebauten und vor allem praxisorientierten Hochschulbereich geben, der heute schon von den FH abgedeckt wird. Der dritte Bereich wird ein breites Angebot an Bakkalaureats-Studien sein, macht doch der ständig wachsende Trend zu höherer Bildung ein entsprechendes akademisches Angebot notwendig.

Wie steht es jedoch mit den Berufschancen der frisch gebackenen Bakkalaureat-Absolventen? Schließlich war es die Wirtschaft, die jahrelang die lange Studiendauer der heimischen Akademiker beklagte, hielten diese doch noch Ende der 90er Jahre mit 7,4 Jahren durchschnittlicher Studiendauer einen "traurigen Weltrekord", wie das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) 1998 in einer Studie feststellte. Das neue dreigliedrige Studiensystem sei zwar insofern sinnvoll als es nun den internationalen Normen entspreche, erklärt Monika Thum-Kraft, stellvertretende ibw-Geschäftsführerin. Die Unterschied zur FH beträgt in Sachen Studiendauer jedoch nur ein Jahr und diese haben darüber hinaus den Vorteil der starken Praxisorientierung, bezweifelt Thum-Kraft die kurzfristige Wettbewerbsfähigkeit des neuen Studiensystems. Allerdings, so schränkt Thum-Kraft ein, verfüge man noch kaum über wirkliche Erfahrungswerte, da erst jetzt die ersten Absolventen langsam auf den Arbeitsmarkt kommen.

Keinen Zweifel am Erfolg des neuen Studiensystems auch am Arbeitsmarkt hat dagegen Riemer. Wenngleich er eingesteht, dass er hier von einer langfristigeren Perspektive ausgeht.