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Höchste Alarmbereitschaft in Israel vor dem Regierungsantritt Ariel Sharons

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Jerusalem - Aus Angst vor weiteren blutigen Anschlägen wurden die israelischen Sicherheitskräfte vor der für heute geplanten Präsentation des neuen Kabinetts in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Die radikale Palästinenserorganisation Hamas übernahm Dienstag die Verantwortung für den Selbstmordanschlag vom vergangenen Sonntag in der Küstenstadt Netanya, bei dem neben dem Attentäter, einem 23-jährigen Palästinenser aus einem Flüchtlingslager, auch drei Israelis ums Leben gekommen und 70 weitere verletzt worden waren.


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Hamas hatte am Wochenende angekündigt, dass 10 Selbstmordkommandos bereitstünden, bei Sharons Regierungsantritt in Aktion zu treten.

Israels Polizei hat inzwischen bestätigt, dass jener Mann, der am Sonntag unmittelbar nach dem Anschlag in Netanya von der Menge beinahe gelyncht worden war, unschuldig ist. Zunächst hatte man eine Verbindung zu dem Attentäter nicht ausgeschlossen.

Ariel Sharon ist es in der Nacht zum Dienstag noch gelungen, die russische Einwandererpartei von Ex-Innenminister Natan Sharansky in seine Koalition zu holen. Zuvor hatte es geheißen, die Partei Sharanskys, der enttäuscht darüber war, sein altes Ressort nicht mehr zu erhalten, werde die Regierung von außen stützen. Nun soll Sharansky Wohnbauminister und stellvertretender Ministerpräsident werden. Außerdem wurde seiner Partei der Vorsitz des Ministerkomitees für Diaspora, Einwanderung und Integration zugesagt.

Verärgert sind dagegen die Nationalreligiöse Partei, deren Chef Yitzhak Levy sich ebenfalls Chancen auf das Wohnbauministerium ausgerechnet hatte und die Gesher-Partei des früheren Außenministers David Levy, der bei der Postenverteilung auch leer ausgegangen ist. Sowohl die Nationalreligiösen als auch Gesher drohten Sharon, seine Regierung nicht zu unterstützen und das Budget abzulehnen.

Beilin kandidiert für Parteiführung

Auch in der Arbeiterpartei sind die Turbulenzen noch keineswegs zu Ende. Am Dienstag kündigte der scheidende Justizminister Jossi Beilin an, dass er für die interimistische Parteiführung kandidieren werde, seine Kandidatur aber zurückziehe, wenn Shimon Peres für dieses Amt aufgestellt wird.

Turbulenzen gibt es aber auch auf palästinensischer Seite. Kommunikationsminister Imad Falouji ist wegen Äußerungen über die Hintergründe des Ende September vorigen Jahres ausgebrochenen Aufstands gegen Israel unter heftigen Druck aus den eigenen Reihen geraten. Falouji hatte am Wochenende vor palästinensischen Flüchtlingen im Libanon erklärt, der Aufstand sei von der palästinensischen Führung bereits seit dem Scheitern des Nahost-Gipfels von Camp David Ende Juli 2000 sorgfältig geplant worden. Falouji korrigierte am Dienstag in Gaza seine Äußerungen. Diese, so der Minister im palästinensischen Rundfunk, seien von der internationalen Presse "verzerrt" wiedergegeben worden. Er habe lediglich sagen wollen, dass die Palästinenserführung von dem Aufstand nicht überrascht wurde, und dass die Intifada ein Ergebnis der israelischen Politik war.

Falouji ist der einzige ehemalige Hamas-Aktivist im palästinensischen Kabinett. Der Herausgeber der in Gaza erscheinenden Wochenzeitung "Al Watan" war 1996 aus der radikalen Hamas-Bewegung ausgestoßen worden, nachdem er seine Kandidatur für die palästinensischen Legislativrats-Wahlen angemeldet hatte.

Das Internationale Presse Institut (IPI) hat die Verstöße gegen die Pressefreiheit in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten verurteilt. In einem am Dienstag in Wien veröffentlichten Bericht werden insgesamt 64 solcher Verstöße seit dem Beginn der Unruhen Ende September 2000 aufgelistet. In einer Empfehlung an die israelischen Sicherheitskräfte tritt das IPI für eine Überprüfung der Richtlinien für den Schutz der Journalisten ein. Bei insgesamt 84 Zwischenfällen wurden nach dem IPI-Bericht mindestens 30 Journalisten angeschossen, zwei von ihnen getötet. Gleichzeitig forderte das IPI die palästinensischen Behörden auf, von willkürlichen Festnahmen und Einschüchterungen von Journalisten abzugehen.