EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann hat am Mittwoch mögliche Szenarien für eine Zinswende skizziert.
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Seit Monaten sorgt das kräftige Anziehen der Verbraucherpreise bei den Währungshütern der Eurozone für Nervosität. Robert Holzmann, Chef der Nationalbank (OeNB) und Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), betonte am Mittwoch erneut, dass man mit Blick auf die weitere Entwicklung der Teuerung "sehr wachsam" sein sollte. Falls die Inflationsraten im Euroraum nicht so zurückgehen wie erwartet, "schrillen die Alarmglocken", sagte der Notenbanker bei der Präsentation der neuesten Konjunkturprognose für die österreichische Wirtschaft.
"Wir können im Rat jederzeit die Käufe, die im APP (einem Wertpapierkaufprogramm des Eurosystems, Anm.) noch ausstehend sind, kürzen oder aussetzen", gab Holzmann in diesem Zusammenhang zu bedenken. Dies wäre dann ein Preissignal an die Märkte, weil sich die EZB festgelegt habe, dass erst nach dem Ende der Käufe die Zinsen erhöht würden. "Im Extremfall" wäre es möglich, die Käufe im kommenden Jahr auszusetzen und Ende 2022 oder Anfang 2023 den Leitzins anzuheben und damit die Zinswende einzuleiten.
Sollte die Inflation extrem ansteigen, könnte man sich "durchaus auch vorstellen, die Zinsen vorher zu erhöhen und nicht zu warten, bis man die Käufe auslaufen lässt, um die Märkte nicht zu beunruhigen", sagte Holzmann weiter. Da diese Option nicht viel Zuspruch im EZB-Rat bekommen würde, sei sie aber nicht sehr wahrscheinlich.
"Differenzen" im EZB-Rat
Über die Aufwärtsrisiken bei der Inflation gehen die Meinungen im Rat der EZB jedenfalls auseinander. Mit Hinweis auf die jüngste Zinssitzung sprach Holzmann von "Differenzen". Einzelne Ratskollegen seien der Meinung, die Aufwärtsrisiken seien höher als angenommen.
Für EZB-Chefin Christine Lagarde ist die vor allem von den Energiepreisen und den Lieferengpässen getriebene Inflation nach wie vor ein vorübergehendes Phänomen, wie sie in der Öffentlichkeit zuletzt wiederholt hervorgehoben hat. Lag die Inflationsrate in der Eurozone im coronabedingten Rezessionsjahr 2020 bei 0,3 Prozent, wird sie heuer wegen der stark gestiegenen Energiepreise und auch wegen der Lieferengpässe aus Sicht der EZB wohl auf 2,6 Prozent springen, sich dann - 2022 - auf 3,2 Prozent weiter erhöhen, ehe sie sich 2023 und 2024 auf je 1,8 Prozent abschwächen sollte. Mittelfristig strebt die Europäische Zentralbank eine Inflationsrate von 2 Prozent an.
Ihr in der Vorwoche gefasster Beschluss, die über das billionenschwere Pandemie-Notprogramm Pepp getätigten Anleihenkäufe im Frühjahr zu beenden, ist für Holzmann indes noch keine geldpolitische Kehrtwende: "Die EZB ist vom Gas runtergegangen, sie ist noch nicht auf die Bremse gestiegen." Die Notenbank habe "nicht den Aufschwung abbremsen" wollen, so der Notenbanker. Der Leitzins wurde wie berichtet auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent belassen.
Erholung setzt sich 2022 fort
Zur österreichischen Wirtschaft sagte Holzmann: "Der Aufschwung ist zwar abgeschwächt (durch den jüngsten Lockdown, Anm.), aber er geht weiter." Nach dem Absturz im Vorjahr sollte das Bruttoinlandsprodukt heuer um 4,9 Prozent und 2022 um 4,3 Prozent zulegen (siehe Grafik).
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Was die Einschätzung für 2021 betrifft, ist die OeNB damit deutlich zuversichtlicher als das Wifo und das IHS, die von einem Plus von 4,1 und 4,3 Prozent ausgehen (die "Wiener Zeitung" berichtete). Wobei die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gar nur mit plus 3,7 Prozent rechnet. Laut OeNB hat diese jedoch das überraschend positive dritte Quartal noch nicht in ihrer kürzlich veröffentlichten Prognose eingepreist.
Als zentrales Risiko für ihre Konjunkturerwartungen sieht die Nationalbank freilich die weitere Entwicklung der Pandemie. Mögliche negative Effekte der neuen Coronavirus-Variante Omikron sind ihrer Prognose nicht berücksichtigt. Sie stellten aber ein bedeutendes Abwärtsrisiko dar, wie es hieß. Dennoch sollte das Wirtschaftswachstum in den nächsten zwei Jahren - nicht zuletzt dank der Steuerreform - stark vom privaten Konsum getragen werden. Bei den Arbeitslosenzahlen und den öffentlichen Finanzen sollte es in den kommenden Jahren eine Entspannung geben. (kle)