Im Herbst 2007 waren die Chancen für ambitionierte Einschnitte bei der EU-Landwirtschaftsförderung noch denkbar gering: Agrarkommissarin Mariann Fischer-Boel wollte dennoch den großen Agrarbetrieben bis zu 45 Prozent ihrer Förderungen aus dem EU-Budget abnehmen. | Rasante Nachfragesteigerungen auf dem Weltmarkt und eine deutliche Entschärfung ihrer Ideen haben die Chancen für ein Reförmchen des jährlich rund 50 Milliarden Euro schweren Fördersystems zwar etwas erhöht.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Doch umgehend formierte sich neuer Widerstand. Die Landwirtschaftsminister rechneten die Verluste für ihre Bauern vor: 68 Millionen weniger Direktzahlungen pro Jahr, sagte der Österreicher Josef Pröll. 400 Millionen Einbußen für die deutschen Bauern, berechnete Horst Seehofer. Beide kritisierten die Erhöhung der Milchquoten ohne Ausgleichsmaßnahmen für die Milchbauern in benachteiligten Regionen.
Darüber hinaus seien die Direktzahlungen (die in Österreich Betriebsprämien heißen) ohnehin weitgehend von der Produktionsmenge entkoppelt. Französische Spin-Doktoren erklärten anwesenden Journalisten, dass die Pläne der Kommission so chancenlos seien: Kaum einer außer dem Direktzahlungsgegner Großbritannien und vielleicht Portugal sei dafür.
Dabei hat Brüssel derzeit gute Argumente: Die Nachfrage nach Milch und Fleischprodukten steige auf der ganzen Welt und das werde wie bei den zuletzt explodierten Getreidepreisen auch auf Dauer so bleiben. Gleichzeitig befinden sich die gemeinsamen Lagerbestände auf dem tiefsten Stand seit 30 Jahren.
Und Fischer-Boel besteht vorsorglich darauf, dass es sich um keine (derzeit völlig aussichtlose) Reform der bis 2013 einzementierten EU-Agrarförderungen, sondern nur um ein Nachjustieren in Richtung Realität handle.
Die öffentlichen Kritiker klingen jetzt um einige Nuancen freundlicher als im Herbst. Doch die mächtigen Bauernlobbys sind noch lange nicht zufrieden: Schließlich werden die Betriebsprämien dafür ausgezahlt, eine funktionierende Landwirtschaft und Umwelt bereitzustellen, sowie EU-Tier- und Gesundheitsschutzvorgaben zu erfüllen. Sie dienen der Einkommenssicherung der Bauern.
Bei den künftig verstärkt gefüllten Töpfen für die ländliche Entwicklung wird dagegen auf Projektbasis abgerechnet. Da so nur ein Teil der umgeschichteten Gelder wieder an jene Landwirte zurückfließt, die die Einbußen schlucken müssen, werden Fischer-Boels Vorschläge in den Verhandlungen der Mitgliedsstaaten wohl noch deutlich zurückgestutzt. **
Seite 25**
analyse@wienerzeitung.at