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Höchstgericht kippt Gesetz zur Sozialhilfe

Von Martina Madner

Politik
© Fotolia/koti

Deckelung und Wartefrist sind laut Verfassungsgerichtshof "unsachlich und verfassungswidrig".


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Wien/St. Pölten. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in seiner Märzsession klargestellt, dass Teile des niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetzes "unsachlich und daher verfassungswidrig" sind. Konkret wurden die starre Höchstbezugsgrenze von 1500 Euro pro Haushalt und die von der Aufenthaltsdauer in Österreich abhängige Wartefrist auf eine Mindestsicherung in voller Höhe beanstandet.

Anlass waren mehr als 160 Beschwerden von Personen, die wegen der seit 1. Jänner 2017 in Niederösterreich geltenden Rechtslage eine geringere Mindestsicherung erhalten hatten. Der VfGH hebt das Gesetz nun ohne Reparaturfrist auf, die Bestimmungen sind also nicht mehr anzuwenden.

Deckelung müsste flexibler gestaltet sein

Die Entscheidung des Höchstgerichts hat aber nicht nur auf die nun notwendige Neufassung des niederösterreichischen Landesgesetzes Auswirkungen. Walter J. Pfeil, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Salzburg, weist darauf hin, dass davon auch die von der Bundesregierung angestrebte bundesweite Vereinheitlichung der Sozialhilfe betroffen ist. Tatsächlich sieht das Regierungsprogramm genau die beiden beanstandeten Punkte, eine "österreichweite Deckelung der Leistungen für eine Bedarfsgemeinschaft auf maximal 1500 Euro" und die Voraussetzung, "in den vergangenen sechs Jahren mindestens fünf Jahre legal in Österreich gelebt zu haben", für den Bezug einer "Sozialhilfe neu" vor - was nach aktueller VfGH-Entscheidung verfassungswidrig ist.

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Denn das niederösterreichische Gesetz hatte zwar unterschiedliche Mindeststandards für Erwachsene, Minderjährige und unterschiedliche Haushaltszusammensetzungen definiert. Zugleich hieß es im Gesetz aber: "Die Summe der Mindeststandards aller Personen, die gemeinsam in einer Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben, ist mit dem Betrag von 1500 Euro begrenzt."

Der VfGH befindet nun, diese Begrenzung "verhindert die Berücksichtigung des konkreten Bedarfes von in Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen". Dafür gebe es keinen sachlichen Grund, und das Gesetz verfehle dadurch "seinen eigentlichen Zweck, nämlich die Vermeidung und Bekämpfung von sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen".

Eine Deckelung wäre laut Sozialrechtler Pfeil zwar auch künftig erlaubt. "Der Gesetzgeber müsste die Begrenzung aber sachlich begründen und Flexibilität einbauen." Pfeil denkt etwa an mehr Leistung bei höheren Wohnkosten oder für Menschen mit einer Behinderung. Außerdem müsste es für jene, die in Wohngemeinschaften leben, auch die Möglichkeit geben, nachzuweisen, dass man den Haushalt unabhängig voneinander bestreite.

"Wartefrist" ist kein Anreiz zur Arbeitsaufnahme

Schwieriger dürfte die Reparatur des zweiten vom VfGH beanstandeten Punktes sein: Im Gesetz war für jene, die sich weniger als fünf der sechs vergangenen Jahre in Österreich aufgehalten hatten, eine geringere Leistung vorgesehen, laut Landesregierung als Anreiz zur Arbeitsaufnahme und Integration, insbesondere von Flüchtlingen.

In der VfGH-Entscheidung heißt es nun aber, dass der "bloße Aufenthalt im In- oder Ausland keinerlei Rückschluss auf die Arbeitswilligkeit der Person zulässt". Außerdem sei eine Ungleichbehandlung nach Aufenthaltsdauer - auch zwischen Österreichern, die vor dem Bezug der Mindestsicherung im In- bzw. Ausland gelebt haben - nicht zu rechtfertigen.

Zwar kündigten die Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) in einer gemeinsamen Stellungnahme an, am Ziel festzuhalten, "eine bundesweit einheitliche Lösung zu erarbeiten, die differenziert zwischen denjenigen Personen, die schon länger in das Sozialsystem eingezahlt haben, und jenen Nicht-Österreichern, die neu in das Sozialsystem dazu gekommen sind". Für eine neue, anders begründete Wartefrist sieht Pfeil allerdings kaum Spielraum, "es sei denn, die Regierung macht ein Verfassungsgesetz daraus". Dann könne es der VfGH nicht als rechtswidrig aufheben.

Die dafür notwendige Zweidrittel-Mehrheit im Parlament aber ist auszuschließen. Die SPÖ zieht nach wie vor das Vorarlberger Mindestsicherungsmodell dem niederösterreichischen vor. Und für Sozialsprecher Gerald Loacker spiegelt sich gerade in der beanstandeten Wartefrist eine "Sozialpolitik auf dem Fundament dumpfer Ausländerfeindlichkeit" wider.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zur Mindestsicherung in Niederösterreich.