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Beim Verfassungsgerichtshof sind derzeit vier Beschwerden anhängig. Außerdem hat der Autofahrerklub ÖAMTC ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Rechtsgrundlage überprüfen zu lassen.
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Wien. Die Frage polarisiert in juristischen Kreisen seit Jahren: Ist es gesetzeskonform, dass Anwohner-Parkplätze nur in Parkpickerl-Bezirken geschaffen werden dürfen? Ja, sagen die Experten der MA 65, die für verkehrsrechtliche Fragen zuständig sind. Die Argumentation: Der erste Schritt bei einer angespannten Stellplatzsituation sei, die Einführung einer flächendeckenden Kurzparkzone und erst als zweiten Schritt können Anwohner-Parkzonen geschaffen werden.
Der Autofahrerklub ÖAMTC sieht das anders. "Wir haben Zweifel, dass die Rechtsgrundlage passend ist und haben ein Gutachten in Auftrag gegeben", sagt ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer. "Wir sind nicht gegen Anwohner-Parkplätze, im Gegenteil. Aber es ist die Frage, wie weit der Gesetzeskontext mit der Praxis kompatibel ist", so Hoffer. Denn zurzeit sei es rechtlich nicht möglich, beispielsweise in den Außenbezirken, wo der Parkplatzdruck rund um U-Bahnstationen sehr hoch sei, Parkplätze für Bewohner zu reservieren, ohne eine flächendeckende Kurzparkzone einzuführen.
Die Anwohner-Parkplätze beschäftigt auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH). Sprecher Christian Neuwirth bestätigt, dass derzeit vier Beschwerden anhängig sind. Zwei betreffen den 1. Bezirk, zwei den 8. Bezirk. "In all diesen Fällen läuft das verfassungsgerichtliche Vorverfahren", so Neuwirth zur "Wiener Zeitung". Die Beschwerden haben Einzelpersonen eingereicht, eine davon wird vom ÖAMTC unterstützt, die drei weiteren stammen von Wiener Unternehmern. Die Verordnung, das Anwohner-Parken betreffend, habe keine gesetzliche Grundlage, so die Beschwerdeführer.
Bezirkschef will temporäre Anwohner-Parkplätze schaffen
Karlheinz Hora, Bezirksvorsteher in der Leopoldstadt und ehemaliger SPÖ-Verkehrssprecher, rechnet nicht mit einem Ergebnis vor dem Sommer. "Die Projekte sind gestoppt", sagt Hora und verweist auf die Errichtungskosten. "Jeder Anwohner-Parkplatz kostet um die 170 Euro. Wir in der Leopoldstadt kommen auf 140 Euro pro Parkplatz, da wir keine Ladezonen zwischen den Anwohnerparkplätzen errichten. Und uns damit das Aufstellen von zusätzlichen Tafeln, die bei 700 Euro liegen, sparen", rechnet Hora vor. Dem Bezirkschef beschäftigt ein weiteres Thema, und zwar die Möglichkeit, temporäre Anwohner-Parkplätze zu schaffen. Ein Beschluss des Leopoldstädter Bezirksparlaments wurde vom Rathaus mit der Begründung, dieser sei rechtlich nicht durchführbar, abgelehnt. "Da kann ich nur schmunzeln", meint Hora. "Bis 2010 wurde uns von den Juristen auch immer gesagt, dass Anwohnerparken nicht möglich sei. 2011 war es dann aber doch möglich", sagt er. "Mit dem Prater, der Messe Wien und dem Happel-Stadion kommen wir im Bezirk auf 230 Veranstaltungen jährlich. Uns wäre geholfen, wenn wir zumindest bei 30 Veranstaltungen, temporäre Anwohner-Parkplätze schaffen könnten", so Hora.
Die Schaffung von Anwohner-Parkplätzen ist eine langjährige Forderung der Wiener Grünen. Im Februar 2010, damals waren die Grünen noch nicht auf der Regierungsbank, wurde der Ruf nach Anwohner-Parkplätzen im 1., 7. und 8. Bezirk laut. Zwei Jahre später, im Juni 2012, fiel mit Mariahilf, Neubau und der Josefstadt der Startschuss für ein einjähriges Pilotprojekt. Konnten damals zehn Prozent der Parkplätze für Bezirksbewohner reserviert werden, wurde nach dem Ablauf des Pilotprojektes der Anteil auf 20 Prozent verdoppelt.
Derzeit gibt es 4000 Anwohner-Parkplätze in Wien
Neu seit Jänner 2016 ist, dass bei einer gewissen Stellplatz-Anzahl die Anwohner-Parkplätze mit Bodenmarkierungen versehen werden müssen. Bis dato sind Zonen durch Halte- und Parkverbotsschilder mit Zusatztafeln gekennzeichnet. Das Parken ist nur mit einem Parkpickerl erlaubt. Aktuell gibt es in sieben Wiener Bezirken - im 1., 2., 4., 6., 7., 8. und 9. Bezirk - insgesamt 4000 Anwohner-Parkplätze.
Die Beantragung erfolgt durch den Bezirk, vorausgesetzt ist eine Stellplatzerhebung sowie eine Erfassung der Parkplatzauslastung mit einer Mindestquote von 90 Prozent. Den Beschwerden beim VfGH sehen die meisten Bezirkschefs gelassen entgegen. "Die rechtlichen Rahmenbedingungen kommen von der Stadt. Ich gehe davon aus, dass diese argumentierbar sind", sagt Josefstadts Bezirksvorsteherin Veronika Mickel-Göttfert (ÖVP).
"Übertrieben, rund um die Uhr Parkplätze zu reservieren"
In dieselbe Kerbe schlägt Mariahilfs Bezirkschef Markus Rumelhart (SPÖ) und Alsergrunds Vize-Bezirkschef Thomas Liebich (SPÖ). Für den 5., 14., 15., 16. und 17. Bezirk ist die Errichtung von Anwohner-Parkzonen kein Thema. Während Ottakring die Auflagen nicht erfüllt, hält man in Hernals per se nichts von dem Modell. "Es ist mehr belastend als entlastend und ein wenig übertrieben, rund um die Uhr Parkplätze zu reservieren", sagt die Hernalser SPÖ-Bezirkschefin Ilse Pfeffer. "Wenn im ersten Bezirk ein Parkplatz frei ist, dann weiß man genau, es kann sich nur um einen Anwohnerparkplatz handeln. Solange das Modell nicht geändert wird, sagen wir Nein. Wir erfüllen zurzeit auch nicht die Voraussetzung, da wir keine flächendeckende Kurzparkzone im Bezirk haben", so Pfeffer.
In Währing wird das Parkpickerl erst im Herbst eingeführt und in Döbling haben ÖVP, FPÖ und die Neos am Donnerstag beschlossen, zunächst einmal eine Bürgerbefragung durchführen zu wollen.
Auch die Wirtschaftskammer Wien hat einen langen Forderungskatalog, der neben der Verwendung eines Park- anstelle eines Halteverbots, um kurze Liefertätigkeiten zu ermöglichen, die zeitliche Staffelung, beispielsweise abends und in der Nacht sowie die Öffnung der Parkzonen für Unternehmer umfasst. "Wir plädieren für eine Errichtung der Anwohnerzonen auf einer Straßenseite und nur dort, wo keine Betriebe mit Zufahrts- und Ladebedürfnissen angesiedelt sind. Und auch nicht in jenen Straßen, in denen das Parken bereits auf einer Straßenseite erlaubt ist, da dadurch die legale Zufahrt zur Lade- und Liefertätigkeit vollkommen unmöglich gemacht wird."
Ob die Beschwerden über das Vorverfahren hinausgehen und der Verfassungsgerichtshof überhaupt eine Entscheidung darüber treffen wird, ist noch offen.