Zum Hauptinhalt springen

Höchststrafe für Heiratsschwindler

Von Daniel Bischof

Der Häftling manipulierte von seiner Zelle aus Frauen: "Mir war fad." Siebeneinhalb Jahre Haft.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die Lüge ist Herrn K.s ständiger Begleiter. 24 Mal wurde er schon wegen Betrügereien verurteilt. Er manipulierte einsame Frauen, versprach ihnen eine Beziehung oder gar die Ehe und ließ sich dafür Geld und Wertgegenstände überweisen. Derzeit sitzt er in Graz eine Haftstrafe ab - offizielles Strafende: 2029. Doch selbst im Gefängnis konnte es K. nicht lassen, ein neues Netz aus Lügen zu spinnen. Er schmuggelte ein Handy in seine Zelle, meldete sich auf einer Online-Dating-Plattform an und gaukelte Frauen falsche Absichten vor.

"Ich war im Hochsicherheitsbereich. Mir war fad", erklärte der Angeklagte am Montag am Wiener Straflandesgericht Einzelrichter Andreas Hautz. Der 62-jährige Häftling gab sich im Internet als der 39-jährige "Doktor Rosen" aus. Das Foto eines attraktiven Manns benutzte er als Profilbild. Reich sei er, eine Villa in Döbling besitze er, täuschte K. den partnersuchenden Frauen vor. Zudem sei er auch immer wieder in Syrien. Im Kriegsgebiet helfe er den Armen und Schwachen, unter prekären Umständen führe er Notoperationen durch.

Sieben Single-Frauen in ihren Dreißigern manipulierte K. zwischen Jänner 2017 und Jänner 2018. Er brachte sie dazu, ihm und anderen Personen diverse Sachen zu schicken. "Ein Lederarmband von Liebeskind, Michael Kors Taschen, Michael Kors Geldbörse, Michael Kors Sandalen, Schweinefleisch, ein griechischer Salat, Socken, Unterhosen, ein Blumenstrauß", waren laut einer Liste, aus welcher der Richter vorlas, darunter. Auch haben die Frauen K. Geld auf sein Konto überwiesen, so die Anklage.

"Habe natürlich auch gelogen"

K. bekannte sich teilweise schuldig. Er habe einen falschen Namen benutzt und "natürlich auch gelogen", gab er zu. Ein Betrüger sei er aber nicht. Die Frauen hätten ihm das Geld und die Wertgegenstände nur vorstrecken sollen: "Ich wollte das dann bezahlen."

Zudem habe er die Frauen später immer "über seine richtige Persönlichkeit aufgeklärt". Immer wieder ließ der nuschelnde K. stakkatoartige Redeschwälle los, denen auch Richter Hautz nur schwer folgen konnte. "Das versteht ja kein Mensch", merkte er an einer Stelle an. Als K. über eine der betrogenen Frauen herzog - "Sie war eine theatralische Dame, ich habe sie nicht ausgehalten" -, platzte dem Richter der Kragen.

"Ich sag Ihnen nur: Sie können sich verantworten, wie Sie wollen. Aber wenn es gegen Sie ausgeht und Sie jetzt Menschen diffamieren und demütigen, die schon Betrugsopfer sind: Dann bekommen Sie am Ende die Rechnung von mir präsentiert", sagte der Richter. Seine mahnenden Worte fanden keinen Anklang. Denn wenig später schoss sich K. auf seinen eigenen Sohn ein. Der 21-jährige Sohn durfte mehrere Monate bei einer der betroffenen Frauen wohnen, nachdem er obdachlos geworden war. Die Frau bezahlte dem Burschen auch eine offene Polizeistrafe. Zwischen den beiden kam es zu einem Streit, der Sohn musste ausziehen.

"Ich finde das keck"

"Überall, wo er war, hatte er nur Probleme", beschwerte sich K. über seinen Sprössling. "Ich finde das keck, dass jemand, der in Ihrer Position ist, andere bekrittelt," kommentierte Hautz. Der Sohn ist von der Staatsanwaltschaft Wien als Beitragstäter angeklagt. Ebenso zwei Frauen, die sich durch die von K. erbeuteten Wertgegenstände bereichert haben sollen.

K. setzte nämlich auf ein Schneeballsystem. Von einer 31-jährigen Krankenschwester ließ er sich ihren Angaben zufolge etwa einen personalisierten Tee und eine Duftlampe schicken, "um den Leichengeruch in Syrien zu übertünchen". Doktor Rosen habe ihr gesagt, dass er gerade Notoperationen in Syrien durchführe, daher habe eine angebliche Wiener Ordinationshelferin die Sachen abgeholt, schilderte sie.

Diese Helferin war aber eine 35-Jährige, die angab, dass K. ihr die Ehe und Kinder versprochen habe. Sie kochte für den vermeintlichen Mediziner, die Mahlzeiten fror sie ein. Sie ging davon aus, dass das Essen für Hilfslieferungen nach Syrien benötigt wurden. Die Essens-Pakete schickte sie an eine Kärntner Adresse. Dort lebte wiederum eine 37-Jährige, die sich von Doktor Rosen ein Kind wünschte. Die angeklagte 35-Jährige und die angeklagte 37-Jährige bekannten sich nicht schuldig. Mit gesenktem Kopf saß eine von ihnen da, gegen die Tränen ankämpfend. Besonders die abschätzigen Kommentare von K. - "Ich habe sie ja nicht beschissen" - setzten ihr zu.

Ein "übler Charakter"

Richter Hautz glaubte den Frauen, dass sie nicht Mittäter, sondern Opfer des Schwindlers waren. K. präsentierte er hingegen eine saftige Rechnung. Er verhängte über ihn die Höchststrafe: siebeneinhalb Jahre Haft. Hautz sprach K., bei dem er den Eindruck eines "üblen Charakters" gewonnen habe, unter anderem wegen gewerbsmäßigen Betrugs, schwerer Nötigung und falscher Beweisaussage schuldig. K. wäre es weniger ums Geld gegangen als um seine "perfide Freude, andere zu manipulieren".

Der 21-jährige Sohn wurde wegen Betrugs, Hehlerei und Nötigung zu fünf Monaten bedingt auf drei Jahre Probezeit verurteilt. Zudem wird für ihn Bewährungshilfe angeordnet. Die Urteile sind nicht rechtskräftig, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, K. meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Bei seiner Urteilsbegründung ging Hautz auch auf die Opfer ein. Betrug funktioniere dann gut, wenn die Opfer persönliche Probleme haben oder einsam sind: "Und da wird es dann widerlich." Wenn jemand einen Partner suche, sei er verletzlich und glaube auch die unwahrscheinlichsten Sachen.