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Höchststrafe Heimat

Von Jan Michael Marchart und Marina Delcheva

Politik

Ob in Österreich straffällig gewordene Flüchtlinge abgeschoben werden können, beschäftigt derzeit die Justiz.


Im Juli 2008 steigt ein Somalier in ein Flugzeug. Er fliegt von Dubai nach Österreich, wo er einen Antrag auf Asyl stellt. Ein Jahr später wird dieser abgewiesen. Er bekommt 2009 aber subsidiären Schutz zugesprochen. Dieser wird im Sommer 2011 um ein weiteres Jahr verlängert. In der Zwischenzeit wurde der Somalier allerdings straffällig.

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Konkret wurde er im März 2012 am Landesgericht Korneuburg wegen Schlepperei sowie wegen des Vergehens der pornografischen Darstellung Minderjähriger rechtskräftig zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Das Bundesasylamt leitete ein Verfahren zur Aberkennung des subsidiären Status ein und entzog dem Mann die Aufenthaltsberechtigung. Nach dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kann aber selbst ein Mörder nicht in seine Heimat abgeschoben werden, wenn ihm Folter und Tod drohen.<p class="MsoNormal">200 Aberkennungen im Vorjahr

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) äußert nun auch Bedenken, ob Menschen per Gesetz einfach ihre Schutzberechtigung verlieren können.

In einem zweiten Fall geht es um einen ebenfalls subsidiär Schutzberechtigten aus Afghanistan, der in Wien wegen schwerer Körperverletzung verurteilt wurde. Der VfGH hegt Bedenken, dass die Vorschrift "unsachlich" ist und die Aberkennung des Schutzes nicht im Verhältnis mit dem Tatbestand steht. Konkret könnte durch die beiden Fälle der Paragraf aus dem Asylgesetz fallen und müsste neu formuliert werden. Die derzeitige Bestimmung könnte im Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz stehen.

<p class="MsoNormal">Grundlaür die Aberkennung von Asyl und subsidiärer Schutz ist der Paragraf neun im Asylgesetz. Dieser besagt, dass der Schutz dann abzuerkennen ist, "wenn eine rechtskräftige Verurteilung eines inländischen Gerichtes" vorliegt. Dabei muss der Person eine Strafe von mehr als drei Jahren nur angedroht werden. Selbst bei Strafmilderung verliert ein Flüchtling in Österreich derzeit seine Aufenthaltsberechtigung. Bei einer Änderung würde sich das Vorgehen der Behörden gegenüber straffälligen Schutzsuchenden massiv ändern. Der Entzug des Bleiberechts ist derzeit gegenüber Dschihadisten und IS-Anhängern eine Strafe, die immer wieder zum Einsatz kommt. Im Vorjahr wurden laut Innenministerium 400 Aberkennungsverfahren eingeleitet, 200 davon rechtskräftig.

In "einem niedr zweistelligen Bereich" davon, so Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck, wurde verurteilten Dschihadisten oder IS-Anhängern das Bleiberecht entzogen. Etwa einem Tschetschenen, der selbst als Asylsuchender kam, sich aber dann dem Islamischen Staat in Syrien anschließen wollte. Er und andere rechtskräftig verurteile IS-Anhänger verbüßen zwar in Österreich ihre Haftstrafe, können aber danach in ihre Heimat abgeschoben werden.

Der Großteil der Aberkegen geschah in Zusammenhang mit Straftaten, die die öffentliche Sicherheit gefährden. Also Mord, schwere Raubüberfälle, Totschlag, Schlepperei oder eben Kinderpornografie. Wie viele Menschen nach der Aberkennung des Bleiberechts tatsächlich abgeschoben wurden oder freiwillig ausgereist sind, ist nicht bekannt.

Zurück zum Fall: Der Somalier e Beschwerde gegen die Entscheidung und begründete diese damit, dass in seinem Fall keine schwere Straftat vorliege und es eine positive Prognose gebe. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde als unbegründet ab. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision an den VwGH, in der etwa geltend gemacht wird, bei der Prüfung der Aberkennung müsse auch die "Gemeingefährlichkeit" geprüft werden. Sein Geständnis und sein bisheriger Lebenswandel etwa führten zu einer Strafmilderung. Nämlich auf sechs Monate Freiheitsstrafe. Seinen befristeten Schutz verlor er vorerst dennoch.

Drei mche Szenarien

Die beiden Gerichtshöfe möchten "Schlepperei und die pornografische tellung von Minderjährigen nicht kleinreden", sagt Nedwed. Es handle sich um Straftaten. Nun werde das Urteil des Bundesasylamts auf Verhältnismäßigkeit geprüft. Flüchtlinge aus Somalia etwa können zudem nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden, da es als nicht sicher gilt. "Dort droht womöglich der Tod", so Nedwed. In Österreich hätten die Flüchtlinge dann nur noch den Status der "Duldung" und somit keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und sozialen Leistungen mehr.

Nun stehen der Judikatur drei Szenarien bevor. Erstens: Der Paragraf bleibt bestehen und der Somalier wird "geduldet". Zweitens: Das Gesetz wird gekippt und neu formuliert. "Dadurch wäre der Somalier nach einer anderen Gesetzgebung verurteilt worden. Sein befristeter Schutz müsste neu geprüft werden." Oder, drittens: Der Paragraf bleibt und wird präzisiert. In der Praxis berücksichtigen Gerichte aber jetzt schon bei der Aberkennung des Bleiberechts, ob und wie gefährlich eine Abschiebung für den Einzelnen ist.