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Hochzeit mit Heimatflagge feiern

Von Yordanka Weiss

Politik

Die Verwendung der Flagge ist nicht bei allen Communitys gleich verbreitet.


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Wien. Die Fahne als nationales Symbol gehörte früher ausschließlich zur Außenpolitik. In einer Schlacht war sie eine Orientierung für die Soldaten. Nur Auserwählte durften die ehrenvolle Aufgabe des Fahnenträgers übernehmen. Die Verteidigung der Fahne war selbst unter Lebensgefahr höchste Pflicht. Heute werden Flaggen wieder verstärkt gezeigt, freilich unter anderen Umständen. Migranten nutzen sie im Alltag, um damit die Zugehörigkeit zu ihrer Gemeinschaft nach außen zu zeigen.

Aber ist es erlaubt, eine ausländische Flagge in Österreich zu hissen? "Es gibt keine generelle Untersagung auf Bundesebene", betont dazu Karl-Heinz Grundböck vom Innenministerium.

"Gleich nach meinem Hochzeitsanzug habe ich die rot-blau-weiße serbische Nationalflagge gekauft", erzählt Darko Radosawljevic. Dem jungen Wiener und seiner Familie war es wichtig, den Hochzeitstisch in einem Lokal in Wien-Simmering mit der Flagge der alten Heimat zu schmücken. In Österreich geboren, ist Radosawljevic nicht der Einzige, der stolz die Nationalfarben seiner Vorfahren trägt. "Es ist ein Zeichen meiner Identität, und die ist sowohl von der österreichischen als auch von der serbischen Kultur geprägt. Es ist bereichernd für mich", meint er.

Zum Botschafter der"alten Heimat" werden

Etwa 300.000 Menschen umfasst die serbische Community, nach den Deutschen ist sie damit die zahlenmäßig zweitstärkste Migrantengruppe in Österreich. Auch viele Zuwanderer aus anderen Ländern Ex-Jugoslawiens wie Kroatien nutzen die Nationalflagge gerne. Hochzeitsgesellschaften schmücken damit die Autos und fahren mit wehenden Fahnen durch die Stadt. "So wird unsere Gemeinschaft nach außen hin sichtbar. Was früher die Außenpolitik geleistet hat, das leisten heute auch die Migranten. Jeder ist ein Botschafter seiner alten Heimat", meint Radosawljevic.

Andere Communitys sind da etwas zurückhaltender. "Fahnen sind heilig, sie gehören aber in den Privatbereich und sollen zuhause bleiben", meint Ata Sel von der Türkischen Kulturgemeinde in Österreich. Die Türken stellen nach den Deutschen und den Serben die drittgrößte Migrantengruppe Österreichs. Viele Türkischstämmige sind bereits österreichische Staatsbürger, berichtet Sel, und es sei nicht üblich, die Flagge der Türkei bei Veranstaltungen zu benutzen. "Wir raten allgemein von der Nutzung der türkischen Flagge auf der Straße ab. Die Probleme der Türkei sollen nicht nach Österreich mitgebracht werden", sagt Sel. Über Fahnen wolle man kein Statement anbringen. Fahnen im öffentlichen Raum seien eben ausschließlich eine Sache der Politik.

Ein Geschäft in Wien, das Nationalflaggen aus aller Welt anbietet, heißt "Alles Fahnen" und befindet sich in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus (Alliogasse 29-33). "Migranten aus Tschechien, der Slowakei und aus den Ländern Ex-Jugoslawiens kaufen am meisten", erzählt Verkaufsleiter Michael Rathausky. Auch Botschaften sind gute Kunden, wie zum Beispiel die libysche Botschaft, die sich 2011 nach dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi mit neuen Flaggen eindeckte.

Viele Migranten kaufen auch österreichische Fahnen, etwa für Familienfeiern wie Hochzeiten, die im Ausland stattfinden, berichtet Rathausky. Bilaterale Vermählungen werden zuweilen mit zwei Flaggen geschmückt, zum Beispiel wenn die Braut aus Mazedonien und der Bräutigam aus Serbien stammt. Die beliebtesten Größen für familiäre Anlässe sind 60 zu 90 oder 100 zu 150 Zentimer, die Kosten für eine Flagge belaufen sich auf 20 bis 30 Euro.

Rund 200 Fahnen, die offiziell von Landesparlamenten erlassen sind, hat die "Erste Österreichische Fahnenfabrik" im Sortiment. Der frühere Handwerksbetrieb hat neben der Produktionsstätte auch ein Geschäft im niederösterreichischen Stetten, nördlich von Wien. Hier bestellen die Hofburg und österreichische Parteien, aber auch internationale Kunden.

Auch Minderheiten- und Revolutionsfahnen beliebt

"Es gab auch Anfragen für Minderheiten- oder Revolutionsfahnen, zum Beispiel während des Arabischen Frühlings oder des Kosovo-Kriegs", sagt Edith Raab von der Geschäftsführung. Auch türkische Nationalflaggen oder Fahnen der Staaten Ex-Jugoslawiens würden öfters bestellt. "Derzeit arbeiten wir an 150 kurdischen Flaggen aus hochwertiger Seide mit Goldfransen für die Indoor-Verwendung", verrät Raab. Bestellt wurden diese von einem Wiener kurdischer Herkunft.

Flaggen von Staaten wie Libyen oder dem Südsudan, die sich im Umbruch befinden, hat die "Erste Österreichische Fahnenfabrik" ebenfalls im Angebot. Als jetzige Flagge Libyens führt der seit Februar 2011 bestehende Nationale Übergangsrat die alte Flagge des Königreichs. Diese wurde auch von den Aufständischen verwendet. Als Zeichen ihrer Solidarität tauschten libysche Botschaften Gaddafis grüne Fahne der Libysch-Arabischen Dschamahirija gegen die neue Revolutionsfahne. Und im Südsudan, der im Juli 2011 seine Unabhängigkeit vom Sudan erlangt hat, wird seither die schwarz-weiß-rot-grün-blaue Flagge der Unabhängigkeitsbewegung als Nationalfahne des neuen Staates genutzt.

Ähnlich wie die Türken halten auch Taiwanesen die Nationalflagge nicht allzu hoch. Der Grund dafür: Der rechtliche Status Taiwans ist ungeklärt. Österreich betrachtet Taiwan als Teil Chinas. Das Land darf keine Botschaft haben. Der Großteil der 3000 in Österreich ansässigen Taiwanesen lebt in der Bundeshauptstadt. Ansprechpartner für diesen Kreis ist das "Taipeh Wirtschafts- und Kulturbüro" in Wien. Dort wird am 10. Oktober, dem Nationalfeiertag Taiwans, inoffiziell die blau-rot-weiße Fahne gezeigt. Gefeiert werden der Sturz der chinesischen Monarchie im Jahr 1911 und die Ausrufung der Republik.

Ähnlich viele Palästinenser wie Taiwanesen leben in Österreich. Deren schwarz-weiß-grün-rote Fahne sieht man regelmäßig auf den Straßen Wiens. "Viele Palästinenser sind österreichische Staatsbürger. Die Fahne Palästinas ist oft im Einsatz, um Solidarität mit der alten Heimat zu zeigen", sagt Munzer Munter, Präsident der Palästinensischen Gemeinde. Die Heimatflagge hisse man bei Demonstrationen, Kulturveranstaltungen, Hochzeiten oder Feiertagen. Die Flagge von Palästina schmückt auch offizielle Briefe der Gemeinde.

Die heutige Alltagssprache unterscheidet nicht mehr zwischen Fahne und Flagge. Das war früher anders. Eine Fahne ist ein für einen bestimmten Zweck hergestelltes Unikat, das somit - anders als die Flagge - ein nicht ersetzbares Einzelstück ist, bei Beschädigung auch nicht austauschbar. Truppenfahnen, Vereinsfahnen, Zunftfahnen, Kirchenfahnen oder Regimentsfahnen wurden etwa angefertigt und an speziellen Orten aufbewahrt. Die Flagge ist hingegen nur ein Stück Tuch, das jederzeit ersetzbar ist.