Mit Durchgriffsrecht hat sich der FPÖ-Obmann unter Druck gesetzt. Verzicht auf Kickl als Minister wird heikel.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Als neuer FPÖ-Obmann will Norbert Hofer seiner Partei seinen "Stempel aufdrücken". Noch bevor der Burgenländer an diesem Samstag beim FPÖ-Bundesparteitag in Graz offiziell zum Parteichef der Blauen gekürt wird, kam es zur Probe, wie groß seine innerparteiliche Macht tatsächlich ist.
Auf sein Betreiben hin soll in Graz eine Änderung der Statuten erfolgen, die seine Befugnisse zum Ausschluss von Parteimitgliedern bei "rechten Ausrutschern" ausweitet. Nach dem Auftritt der nichtamtsführenden Wiener Stadträtin Ursula Stenzel vor Vertretern der rechtsextremen Identitären Bewegung ist Hofer schon vor dem Beschluss unter Zugzwang geraten.
Nach Gespräch mit Hofer kein FPÖ-Ausschluss Stenzels
Am Montag sah Hofer nach einem Gespräch mit Stenzel keinen Grund für einen Parteiausschluss. "Weil Frau Stenzel nicht wusste, dass es sich um eine Veranstaltung der Identitären handelt", führte er im ORF-Radio als Begründung an und lehnte Rücktrittsforderungen ab. Das neue Durchgriffsrecht gegen extremistische Umtriebe habe mit Frau Stenzel nichts zu tun. Ex-Innenminister Herbert Kickl wurde deutlicher und konnte in Stenzels Rede "nichts Verwerfliches" sehen: "Alles, was Stenzel gesagt hat, hat Hand und Fuß."
Der Umgang mit der Identitären Bewegung ist für Hofer, der am 19. Mai nach dem Ibiza-Video und dem Rücktritt von FPÖ-Langzeitchef Heinz-Christian Strache als freiheitlicher Parteichef designiert worden ist, ein Hochseilakt. FPÖ-Politiker hatten in der Vergangenheit keine Berührungsängste mit Identitären. Hofer ist hingegen als Obmann um eine Abgrenzung bemüht. In der jüngsten Ausgabe des "profil" hat er noch betont, bei den Identitären sei es "nachvollziehbar, dass die ein Wahnsinn sind".
Der Wirbel kommt dem FPÖ-Chef drei Wochen vor der Nationalratswahl und knapp vor dem Parteitag besonders in die Quere. Schließlich ist es das erklärte Ziel Hofers und der FPÖ, die im Mai geplatzte türkis-blaue Bundesregierung mit der FPÖ fortzusetzen. Die umworbene ÖVP hat aber als Zeichen der Abgrenzung nicht nur den Parteiausschluss und Rücktritt Stenzels gefordert, sondern verlangt auch die Auflösung der Identitären. Das hat zuvor bereits der geschäftsführende FPÖ-Klubchef Kickl abgelehnt, am Montag nun aber auch Hofer.
Gleichzeitig geht Hofer immer deutlicher auf Distanz zu seinem Vorgänger Strache. Dessen Comeback könne es erst nach der rechtlichen Klärung der Vorwürfe rund um das Ibiza-Video geben, was eine Rückkehr zur Gemeinderatswahl 2020 in Wien schwer macht. Nun legt er nach: Anders als Strache selbst sieht Hofer nicht seinen Vorgänger, sondern die Republik und die Regierungspolitik als Opfer. Schließlich hat der neue FPÖ-Obmann schon im August betont: "Das Ibiza-Video ist eine Zäsur in der Geschichte der FPÖ."
Zum Hochseilakt wird für den FPÖ-Chef auch die Frage, wie es nach dem 29. September mit Kickl weitergeht, mit dem er als Duo wahlkämpft. Beim FPÖ-Wahlauftakt am Samstag in Pasching bei Linz wurde Kickl als "Innenminister der Herzen" gefeiert. Es war unübersehbar, dass der langjährige blaue Parteistratege mit der Abrechnung mit "linken Vögeln" den Nerv der Basis und Sympathisanten getroffen hat.
FPÖ-Obmann will für Kickl das Innenministerium fordern
Hofer hat beim Auftakt die Einheit der FPÖ-Familie und mit Kickl beschworen. Der FPÖ-Wahlkampf ist einmal mehr stark auf das Thema Sicherheit zugeschnitten. Die ÖVP und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz haben sich jedoch bereits klar auf ein Nein zu einem Minister Kickl festgelegt.
Umso heikler sind innerparteilich für Hofer Fragen, ob Kickls Einzug ins Innenressort eine Koalitionsbedingung sei. "Wenn die Koalitionsverhandlungen scheitern, dann werden sie bereits an den Inhalten scheitern", meinte er in der Austria Presse Agentur eher ausweichend. Zuvor hatte seine Aussage: "Die Koalition hängt nicht daran, ob jemand Minister sein will", für Zündstoff gesorgt. Die FPÖ hatte einen Verzicht auf Kickl als Fehlinterpretation zurückgewiesen. Hofer will jedenfalls mit der Forderung nach einem Innenminister Kickl in Koalitionsverhandlungen gehen.
Ob es dazu kommt, ist offen. Zuvor muss Hofer einmal die Wahl schlagen, wobei für ihn 20 Prozent als Messlatte gelten.