NGOs kritisieren Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen scharf.
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Wien. Die Geschichte hat wohl niemanden unberührt gelassen: Vor zehn Tagen hat die Polizei einen zwölfjährigen Buben ganz alleine am Wiener Westbahnhof aufgegriffen. Die Eltern, Asylwerber aus Syrien, hatten das Kind dort zurückgelassen. Die Geschichte ist auch symptomatisch für die Entwicklung im Asylwesen: Immer mehr unbegleitete Minderjährige, darunter auch zahlreiche Unmündige - Kinder unter 14 Jahren -, kommen nach Österreich und suchen hier um Asyl an. Nach den aktuellsten Zahlen des Innenministeriums vom September haben bis dahin 1289 unbegleitete Minderjährige - vor allem aus Afghanistan, Pakistan, Algerien und Somalia - in Österreich um Asyl angesucht, im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 871.
Das hat auch damit zu tun, dass die Asylwerberzahlen aufgrund der politischen Zustände in Syrien, Afghanistan und dem Iran generell wieder ansteigen - bereits 2011 gab es gegenüber dem historischen Tiefststand von vor zwei Jahren einen Anstieg um 20 Prozent, heuer sind es noch einmal etwa 20 Prozent. Die Bundesländer, die sich 2004 in einer 15a-Vereinbarung, einem Vertrag zwischen Bund und Ländern, zu bestimmten Aufnahmequoten für Asylwerber verpflichtet haben, erfüllen diese nicht. Lediglich Wien und Niederösterreich nehmen mehr Asylwerber auf als nötig, alle anderen Länder sind säumig. Das waren sie zwar schon auch bisher, nur dass nun eben wieder mehr Asylwerber im Land sind. Dadurch entsteht bei den Erstaufnahmestellen ein Rückstau - von den Höchstzahlen, die einst Maria Fekter als Innenministerin mit den Landeshauptleuten von Niederösterreich und Oberösterreich vereinbart hat, ist man weit entfernt. Eng wird es vor allem in Thalham im Attergau, wo laut Vereinbarung 120 Asylwerber untergebracht sein sollen - dort sind es derzeit 170. Zwar sind auch im niederösterreichischen Traiskirchen 1000 Personen mehr als die ausgemachten 480, laut Innenministerium hat die Erstaufnahmestelle dort aber noch nicht die Kapazitätsgrenzen erreicht.
Länder abwartend
Bereits im Sommer hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in einem Brief an die Länder appelliert, ihre Quoten zu erfüllen - und Verteidigungsminister Norbert Darabos gebeten, Platz in Kasernen zur Verfügung zu stellen. Heute, Dienstag, soll bei einem Asylgipfel im Kanzleramt das weitere Vorgehen geklärt werden. "Wir erwarten uns jedenfalls eine Lösung", hieß es aus dem Innenressort. In Vorarlberg, Oberösterreich und der Steiermark hieß es, man wolle die Quote zwar erfüllen, habe aber Schwierigkeiten, Quartiere zu finden. Auch in Tirol verwies man auf gute Gespräche mit dem Bund, aus dem Burgenland hieß es ebenfalls, man wolle die Quote bald wieder erfüllen. Salzburgs Integrations-Landesrätin Tina Widmann (ÖVP) fordert neues Zahlenmaterial vom Innenministerium, und der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) machte die SPÖ-Bürgermeister dafür verantwortlich, dass keine Unterbringungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Wien und Niederösterreich riefen die anderen Länder dazu auf, ihre Quoten zu erfüllen. Eine Lösung wäre, auf Gebäude des Innenressorts zurückzugreifen.
Vor dem Gipfel forderten Vertreter von Nichtregierungsorganisationen auch eine Lösung für unbegleitete Minderjährige. Derzeit sind in Traiskirchen 600 von ihnen untergebracht - Platz ist nur für 78. Caritasdirektor Michael Landau forderte die Politik auf, nicht "auf dem Rücken von Flüchtlingskindern politisches Ping-Pong zu spielen". Michael Chalupka (Diakonie) und Heinz Fronek (Asylkoordination) erinnerten die Politik daran, Kinderrechtskonvention und Schulpflichtgesetz einzuhalten, Christian Moser von SOS-Kinderdorf kritisierte, dass für Flüchtlingskinder nur der halbe Tagsatz gezahlt würde, der einem einheimischen zusteht. "Ich habe noch nie ein halbes Kind gesehen", sagte er.