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Hoffen auf ein Wunder in Bethlehem

Von Alexander U. Mathé

Politik
Aus Deutschland wurde Herrn Baboun ein Bild zugeschickt, das die Situation gut trifft: Maria und Josef am Checkpoint vor den Toren Bethlehems. Foto: Archiv/Baboun

Bürgermeister: "Die Stadt ist sicher." | Ein Leben außerhalb der Mauer. | Bethlehem/Wien. Samir Baboun ist am Ende. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemals besser wird", sagt der palästinensische Christ aus Bethlehem. Seinem eigentlichen Beruf kann der in den USA ausgebildete Kfz-Mechaniker schon lange nicht mehr nachgehen. Anhaltende Kämpfe in der Region haben den Großteil der Touristen verscheucht. Ihrer Haupteinnahmequelle beraubt, stürzen immer mehr Palästinenser in tiefe Armut. Geld, um ihre Autos reparieren zu lassen, haben sie dann auch nicht mehr, was Baboun schließlich seinen Job gekostet hat. "Bei uns sieht es zurzeit sehr, sehr traurig aus", erklärt Samir betrübt.


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Verarmt und isoliert erinnert Bethlehem heute an die Familie, die es vor rund 2000 Jahren zur Wiege des Christentums gemacht hat. Eine riesige Mauer trennt die Stadt von Jerusalem und Israel. Dort hineingelassen werden Palästinenser kaum. Nur mit triftigen Gründen können sie eine Sondergenehmigung beantragen, die ihnen eine Einreise nach Israel gestattet. Wenige haben das Glück, im Besitz einer dauerhaften Pendlerbewilligung zu sein. Für sie ist Israel das Gelobte Land, in dem es gute Krankenhäuser, eine funktionierende Infrastruktur und - vor allem - Arbeit gibt.

Doch die Einreiseerlaubnis allein ist nur ein erster Schritt. Denn dann müssen erst einmal der Checkpoint und die davor anstehende endlose Schlange überwunden werden. "Das dauert gut und gerne seine vier Stunden", sagt Samir. Für viele zu lang. "Immer wieder hängen hochschwangere Frauen auf dem Weg ins Krankenhaus am Checkpoint fest." Notgeburten in der Warteschlange endeten meist zumindest für das Neugeborene tödlich.

65 Prozent Arbeitslose: Überleben ist alles

Zu allem Überdruss bleiben in den Palästinensergebieten die Hilfszahlungen der EU aus, seitdem die radikal-islamistische Hamas die Regierung übernommen hat. Polizisten und Lehrer warten vergeblich oder sehr lange auf ihren Lohn. Jeder versucht sich so gut es geht über Wasser zu halten in einem Land, in dem 65 Prozent der Menschen arbeitslos sind.

Samir hat Glück, er ist mit vielen Talenten gesegnet und erhält seine Familie mehr schlecht als recht mit Olivenholzschnitzereien. Das Geld, das er mit der Anfertigung von Krippen verdient, braucht er dringend, denn diverse Schicksalsschläge haben es nötig gemacht, sämtliche Reserven aufzulösen. Seine Familie wurde Opfer der anhaltenden Gewalt in den Palästinensergebieten. Seine damals achtjährige Tochter begann nach dem zweiten Palästinenseraufstand im Jahr 2000 von Angst gezeichnet wieder ins Bett zu nässen. Seine Frau bekam ein Magengeschwür und musste operiert werden. Katastrophal in einem Land, in dem es keine Sozialversicherung gibt, wo Patienten ihre Krankenhauskosten bar bezahlen müssen. Aber auch Samir holte das Schicksal ein. Er musste am Dickdarm operiert werden. Kosten: 13.000 Euro. "Ohne meine Freunde wäre ich tot", resümiert Samir trocken. Sie legten für ihn zusammen, er selbst musste seine letzten Ersparnisse opfern. Nun lebt Samir von der Hand in den Mund. Er sehnt endlich einen Aufschwung herbei: Kämen doch endlich die Touristen wieder. Optimistisch ist er nicht, auch wenn Weihnachten vor der Tür steht und die Prozession an der Geburtskirche Jesu traditionell die Massen anlockt. Denn auch hier ergeben sich neue Hürden.

Messe in Betlehem wird via Internet übertragen

Die versprochenen 40.000 Euro für Weihnachtsschmuck oder ein kulturelles Begleitprogramm hat die Hamas für die Stadt gestrichen. Nicht unbedingt die idealen Voraussetzungen für die bevorstehenden Feierlichkeiten.

Und doch lassen sich die Menschen in Bethlehem nicht unterkriegen. Mit den spärlichen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln haben sie selbst für den feierlichen Schmuck an Häuserfronten und Straßen gesorgt. Schließlich hoffen sie auf die Ankunft vieler Pilger, denn heuer wird zum ersten Mal auf http://www.custodia.org die Mitternachtsmesse live im Internet übertragen (ab 23 Uhr MEZ). Fix geplant ist dabei die Teilnahme von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Der Bürgermeister von Bethlehem versucht, den verschreckten Touristen die Furcht vor der Reise zu nehmen. Seine Stadt sei von den Kämpfen völlig unbehelligt geblieben. Auch wenn Bethlehem derzeit die schwierigste Phase seiner Geschichte erlebe, erklärte er unlängst, so sei die Stadt doch "sicher und friedlich". Und von den mühseligen Einreise-Prozeduren bleiben die Touristen verschont.

Auch Israel ist bereit, das Seinige zu einem besinnlichen und gesegneten Weihnachtsfest beizutragen. Die Regierung hat angekündigt, den Zugang zu den Heiligen Stätten während der Feiertage zu erleichtern.

Auf die Frage, ob das Anlass für Hoffnung gebe, beginnt Samir zu lachen. Doch schließlich verstummt er und besinnt sich: "Wenn ich keine Hoffnung hätte, wäre ich ja nicht mehr hier." Schließlich geschehen Wunder immer wieder - vielleicht gerade zu Weihnachten.

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