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Vizekanzler will künftig offensiver werden. | ÖVP gegen Vermögenssteuer, Eigentumssteuer, Erbschaftssteuer.
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"Wiener Zeitung": Herr Vizekanzler, Sie haben in Ihrer Ansprache an die ÖVP-Mandatare dem Telekom-Skandal sehr viel Platz eingeräumt. Dieser wird vielfach als ÖVP-Affäre wahrgenommen. Wie kommt man da wieder raus?
Michael Spindelegger: Indem man die Fakten auf den Tisch legt. Inwieweit ist es ein ÖVP-Skandal? Es gibt den Vorwurf gegen Wilhelm Molterer, der einem Fußballverein ein Sponsoring verschafft hat. Das ist aus meiner Sicht kein stichhaltiger Vorwurf einer Korruption, sondern Molterer hat sich eben für einen Fußballverein engagiert. Sonst könnten wir nicht so viele Vereine in Österreich haben. Das zweite ist, dass Wolfgang Schüssel als ehemaliger Regierungschef derjenige sein soll, der das alles hätte verhindern müssen. Auch da bin ich anderer Meinung. In meiner Funktion kann ich auch nicht sagen, was die Minister in anderen Ressorts im Detail tun. Wir haben von unserer Rechtsordnung her nicht einmal die Möglichkeit, dass ein Bundeskanzler oder Vizekanzler da Einsicht nimmt. Daher sind die Vorwürfe nicht gerechtfertigt. Sollte ein ÖVP-Politiker aber einen Fehler, etwas strafrechtlich Relevantes oder etwas moralisch Verfehltes zu verantworten haben, werden wir natürlich die Konsequenzen ziehen.
Hat diesbezüglich die bisherige ÖVP-Kommunikation versagt?
Wir haben niemals behauptet, dass das ein ÖVP-Skandal ist. Manche haben versucht, uns das in die Schuhe zu schieben. Dagegen wehre ich mich. Wenn die Faktenlage nicht darauf hinweist, darf man das eigentlich aus Seriositätsgründen nicht tun.
Im Zuge der Affäre kommen viele Dinge zutage, die zwar strafrechtlich nicht relevant sind, aber zumindest einen schalen Beigeschmack haben. Fehlt manchen Politikern einfach das Gespür dafür, was man tun darf?
Was da und dort auftaucht, zeigt, dass es manchen absolut fehlt. Darum möchte ich da auch einen Vorstoß machen. Wir dürfen uns nicht nur die strafrechtlichen Schranken als Maßstab aller Dinge wünschen, sondern brauchen auch ein moralisches Grundgerüst für den Politiker der Zukunft. Ein Politiker muss einfach dem genügen, dass man Politik macht, weil man in dem Land und für die Menschen etwas verändern will und nicht weil man in die eigene Tasche wirtschaften will. Das ist ein Grundprinzip, wo sich jeder selbst am Riemen reißen muss. Wer diesen Grundanforderungen nicht genügt, hat in der Politik nichts verloren.
Braucht es also einen Ehrenkodex?
Ich habe das schon vorgeschlagen und unterstütze auch den diesbezüglichen Vorschlag von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Ich glaube, das muss auch sein. Selbstreinigungskräfte in der Politik müssen dazu beitragen, dass zukünftig auch das Ansehen wieder ein anderes wird und dass sich nicht jeder, der in der Politik ist, dagegen wehren muss, ein Gauner zu sein. Das empört mich auch persönlich. Ich bin seit fast 20 Jahren in der Politik und habe mir nie etwas zuschulden kommen lassen. Daher lasse ich auch nicht zu, dass man uns pauschal Korruption vorwirft.
In ihrer Rede haben Sie sehr scharf gegen FPÖ und BZÖ geschossen. Dagegen kam der Koalitionspartner sehr gut weg - abgesehen von Ihrer Kritik an Vermögenssteuerplänen. Gleichzeitig hat man den Eindruck, dass Bundeskanzler Werner Faymann in letzter Zeit durchaus angriffiger geworden ist. Wann werden Sie offensiver?
Meine Offensivkraft ist sicher noch nicht am Ziel angelangt. Da kommt durchaus noch etwas. Aber ich bin ein vertragstreuer Mensch. Wir haben uns bis 2013 in eine Partnerschaft begeben. Ich sehe es aber auch als Auftrag, dass wir uns den wirklich großen Fragen der Republik widmen, zum Beispiel der Entschuldung. Diesbezüglich müssen wir die Kostentreiber reformieren. Da erwarte ich mir vom Koalitionspartner, der ja das Sozialministerium oder das Infrastrukturministerium führt, dass man entsprechende Schritte setzt. Es ist nicht nur an uns, sondern auch an der SPÖ. Aber ich halte nichts davon, dass wir uns in der Koalition tagtäglich etwas über die Medien ausrichten. Ich möchte bis 2013 mit der SPÖ etwas bewegen. Dazu stehe ich auch.
Bei der Themenführerschaft hinkt die ÖVP der SPÖ hinterher. Die Ideen der Sozialdemokraten wirken kommunizierbarer. Die ÖVP postuliert "Leistung" - ist das vielleicht etwas zu abstrakt?
"Leistung" ist nicht der Begriff, mit dem wir marketingmäßig in eine Wahl ziehen wollen. Leistung ist der tiefer liegende Grund, warum wir glauben, uns an diejenigen wenden zu müssen, die auch etwas leisten. Auf deren Seite wollen wir uns auch stellen. Das ist notwendig, weil viele, die Leistung erbringen, schon etwas verzweifelt sind ob immer neuer Steuervorschläge. Wer heute postuliert, wir brauchen eine neue Vermögenssteuer und eine neue Eigentumssteuer und eine neue Erbschaftssteuer, der zeigt ja, dass die Leistungsträger in diesem Land ihm nichts wert sind. Das wollen wir in eine andere Richtung bringen. Aber die Offensivkraft wird sich nicht an "Leistung" als Marketingbegriff orientieren, sondern an anderen Fragen. Ehrlichkeit braucht dieses Land - und Ehrlichkeit ist ein Grundsatz, den wir in dieser ganzen Diskussion auch einfordern müssen. Das ist für mich eine Grundvoraussetzung dafür, dass Politik in diesem Land überhaupt eine Überlebenschance hat.