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Im Oktober, noch vor dem EU-Gipfel in Brüssel (25. Oktober), sollen die Iren zum zweiten Mal über den EU-Vertrag von Nizza abstimmen. Der wiedergewählte Premier, Bertie Ahern, ist in der Zwickmühle: Mit einer Neutralitätserklärung will er seinen Landsleuten eine Beruhigungspille verabreichen. Andererseits spart er auch nicht mit mahnenden Worten, wonach Irland die EU-Erweiterung nicht blockieren dürfe.
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"Niemand hat uns gebeten, der EU beizutreten. Wir wollten Mitglied der Europäischen Union werden. Irland sollte auch nicht verhindern, dass neue Länder beitreten können." Bertie Ahern sprach's und fuhr vom EU-Gipfel in Sevilla mit einer Neutralitätserklärung in der Tasche nach Hause. Dass das neutrale Irland nicht durch Entscheidungen zur künftigen EU-Verteidigungspolitik gebunden ist, soll auch im Referendumstext stehen, den die Regierung in Dublin derzeit ausarbeitet. Die Deklaration - wenngleich rechtlich nicht bindend - soll dann der Ratifikationsurkunde beigefügt werden.
Die Sorge der Iren um ihre Neutralität und vor allem ein Informationsdefizit dürften vor einem Jahr dazu geführt haben, dass Nizza mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde. "Jetzt muss die Regierung eine überzeugendere Informationskampagne führen", meint Fine Gael-Vorsitzender Enda Kenny. Inzwischen stellt Irland mit dem via Fernsehen allerorts bekannten Ex-Journalisten Patrick "Pat" Cox auch den Präsidenten des EU-Parlaments. Er könnte der Pro-EU- und Pro-Nizza-Stimmung noch Vorschub leisten. Cox appellierte bereits, "den irischen Politikern und dem irischen Wähler genügend Raum zu lassen, um ihre eigene Wahl zu treffen".
Bis Jahresende muss der Vertrag in allen Mitgliedstaaten ratifiziert sein; Irland ist das einzige Land, in dem dazu eine Volksabstimmung notwendig ist. Wird Nizza wieder abgelehnt, könnte die darin geregelte Institutionenfrage herausgenommen werden. Diese Idee hatte Kommissionspräsident Romano Prodi ventiliert - und kurz darauf zurückgezogen. Denn offiziell heißt es in der EU, "es gibt keinen Plan B".
Inzwischen reibt sich der Präsident des EU-Reformkonvents die Hände. Valéry Giscard d'Estaing würde nächstes Jahr am liebsten gleich eine EU-Verfassung vorlegen - ohne dass der Nizza-Vertrag je in Kraft getreten ist.