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Das Welternährungsproramm erhält den Friedensnobelpreis - und hofft, dass der Preis einen Schub für die Hungerhilfe bringt.
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Das Komitee für den Friedensnobelpreis kann bei seinen Auszeichnungen verschiedene Schlaglichter werfen. Es kann zum Beispiel in der Weltöffentlichkeit weniger bekannte Aktivisten vor den Vorhang treten lassen, ihre Arbeit würdigen und ihnen damit auch einen gewissen Schutz geben - so geschehen im Jahr 2018 mit den Auszeichnungen für Denis Mukwege und Nadia Murad, die im Kongo beziehungsweise Irak gegen sexuelle Gewalt ankämpfen. Das Komitee kann Politstars, denen es Gutes zuschreibt, noch weiter in die Höhe heben - wie das bei Barack Obama der Fall war, für den diese Auszeichnung immer eine Bürde war. Oder es kann auf Zusammenhänge verweisen, darauf hindeuten, was die Wurzeln des Friedens sind.
Bei der diesjährigen Auszeichnung haben sich die norwegischen Preisrichter für letzteres entschieden. Geehrt wird im Jahr 2020 das Welternährungsprogramm (WFP). Es wird ausgezeichnet für seinen Kampf gegen den Hunger in der Welt. Die UN-Organisation trage mit ihrer Arbeit dazu bei, die Voraussetzungen für Frieden in den Konfliktregionen zu verbessern, begründete das Komitee am Freitag in Oslo seine Entscheidung. Der Friedensnobelpreis ist mit rund 1,1 Millionen Dollar dotiert und wird am 10. Dezember verliehen - am Todestag des Stifters Alfred Nobel.
"Man hört die Not und das Elend nicht"
Das WFP selbst hat sich "stolz" über die Auszeichnung gezeigt und dem Nobelkomitee "tiefen Dank" für die Ehrung ausgesprochen. WFP-Sprecherin Bettina Lüscher sagte kurz nach der Bekanntgabe des Preises zur "Wiener Zeitung": "Wir haben nun große Hoffnung, dass viel mehr Aufmerksamkeit auf die 690 Millionen Menschen auf der Welt gerichtet wird, die nicht wissen, wo die nächste Mahlzeit herkommt. Diese Menschen haben oft kein Sprachrohr, man hört ihre Not und ihr Elend nicht."
WFP-Exekutivdirektor David Beasley betonte, dass der Nobelpreis nicht nur der UN-Organisation allein gehöre, sondern auch allen Partnern und Unterstützern, die mit dem WFP den Hunger bekämpfen.
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Das WFP unterstützt nach eigenen Angaben jedes Jahr rund 97 Millionen Menschen in etwa 88 Ländern. Die Einsätze reichen von schneller Nothilfe in Dürre- und Kriegsgebieten über Schulmahlzeiten bis hin zur Bereitstellung von Logistik für andere Hilfsorganisationen.
Und Beasley ging auch nochmals auf den Kern des Nobelpreises ein. "Wo es Konflikt gibt, gibt es Hunger. Und dort, wo Menschen Hunger leiden, herrscht oft Konflikt."
Tatsächlich lässt sich dieser Zusammenhang schwer von der Hand weisen. Es kann zwar selten gesagt werden, dass Hunger der Auslöser für einen bewaffneten Konflikt ist - allerdings können Lebensmittelknappheit und Versorgungsengpässe Konflikte verschärfen und befeuern.
Hunger wird in Kriegen als Waffe eingesetzt
So hat es etwa auch in Syrien in den Jahren vor dem Bürgerkrieg, der 2011 ausbrach, schwere Dürreperioden gegeben. Felder lagen brach, Viehherden gingen ein. Rund 1,5 Millionen Menschen zogen in die verarmten Vorstädte und konkurrierten dort um Wohnraum und Nahrung. Forscher schließen nicht aus, dass neben den religiösen und politischen Konflikten eben diese Verschärfung der sozialen Situation den Krieg ausgelöst hat.
Ist der Krieg ausgebrochen, dann geht zumeist der Hunger mit ihm einher. Felder können nicht mehr bewirtschaftet werden, Bauern sind auf der Flucht. Nichts spielt Warlords und Milizen mehr in die Hände. Wenn es keine Perspektiven und nur bei den bewaffneten Verbänden Auskommen und vielleicht auch eine Mahlzeit gibt, dann strömen diesen die jungen Männer zu. Und immer wieder versuchen skrupellose Warlords und Politiker, mittels der Not ganze Bevölkerungsgruppen zu vertreiben oder gar auszuhungern.
"Hunger ist immer wieder eine Waffe in Kriegen", sagt Lüscher. Immer wieder kommt es vor, dass Lebensmittelkonvois des WFP blockiert werden, berichtet sie und betont, dass es auch wichtig sei, die Kriegstreiber zu benennen und an den Pranger zu stellen. "Wir sind oft mit unseren Partnern von anderen Hilfsorganisationen die einzigen, die die Menschen noch am Leben erhalten", sagt Lüscher. "Lebensmittelhilfe ist auch ein Mittel, um Konflikte zu vermeiden."
Das gelte laut dem Nobelpreiskomitee gerade jetzt in der Corona-Krise. Insbesondere in Zeiten der Pandemie sei der Kampf gegen den Hunger in der Welt erforderlich, betonte das Komitee.
International fand die Wahl des Nobelpreiskomitees viel Anerkennung. Das WFP sei "ein würdiger Gewinner", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Das WFP arbeite "an der Schnittstelle" von Welthunger und gewaltsamen Konflikten, meinte auch das renommierte schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri.
Österreich gratuliert, ist aber kein großer Geber
Österreichs Regierung zählt ebenfalls zu den Gratulanten. Für die Versorgung von Menschen in Not mit Nahrungsmitteln sei das Welternährungsprogramm "unersetzbar" und rette damit "Millionen Menschenleben", unterstrich etwa Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger.
Auch Petra Bayr, SPÖ-Bereichssprecherin für globale Entwicklung, spendete der "wahrlich wichtigen Arbeit" des WFP Beifall. Gleichzeitig kritisierte sie den "beschämend" geringen Beitrag Österreichs für das WFP. 2019 stellte Österreich 4,8 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Im laufenden Jahr überwies die Regierung bis Anfang Oktober 2,3 Millionen. Österreich liegt damit deutlich hinter vergleichbaren Ländern wie Schweden (156 Millionen) oder der Schweiz (73 Millionen US-Dollar).