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Hoffen und Bangen in den Gemeinden

Von Rosa Eder-Kornfeld und Martina Madner

Wirtschaft

Kika/Leiner reduziert um vier Standorte. Der Trend zeigt: Der Möbelhandel bietet generell weniger Arbeit.


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Wien. Für einen Bürgermeister gibt es wahrlich Schöneres, als zu erfahren, dass ein großer Betrieb in seiner Gemeinde zusperrt. Der Bürgermeister von Wiener Neustadt, Klaus Schneeberger (ÖVP), spricht angesichts der Schließung der Leiner-Filiale des Orts von einem "schweren Schlag - vor allem für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Teil seit Jahren oder gar Jahrzehnten hier beschäftigt waren. Für sie müssen wir alles unternehmen, um sie zu unterstützen."

Gerhard Pirih (SPÖ), Bürgermeister von Spittal an der Drau, äußert "großes Bedauern", ähnlich reagiert auch Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi von den Grünen: Er hofft auf einen baldigen Sozialplan für die Mitarbeiter und neue Arbeit in der Branche - was der Branchenvertreter der Tiroler Wirtschaftkammer, Stefan Föger, "im Rahmen seiner Möglichkeiten" zusicherte.

"Wenn ein Geschäft zusperrt, ist das nie gut"

Vösendorfs Bürgermeisterin Andrea Stipkovits (SPÖ) sagte: "Wenn ein Geschäft zusperrt, ist das nie gut." Es geht um die Schließung von Kika- bzw. Leiner-Standorten. Stipkovits hat allerdings die Hoffnung auf eine baldige Neuübernahme des Standorts, "es ist schließlich ein schönes Haus". Ein Wunsch, der auf seine Erfüllung vorläufig warten muss. Das Unternehmen gab am Donnerstag bekannt, dass mit Ende des Jahres die Leiner-Standorte in Innsbruck mit kolportierten 50 bis 70 Mitarbeitern und in Wiener Neustadt, wo rund 85 Personen beschäftigt sind, sowie die Kika-Filialen in Vösendorf mit circa 70 Mitarbeitern und Spittal (51) geschlossen werden. Und: "In der Zentrale in St. Pölten und allen weiteren österreichischen Filialen wird die Personalbesetzung an den wirtschaftlich und vertrieblich notwendigen Umfang angepasst."

Mit den Personalmaßnahmen will der neue Eigentümer von Kika/Leiner, die Signa Retail Gruppe des Tiroler Immobilieninvestors Rene Benko, die Kosten senken und das Unternehmen, das sich bereits am Rande der Insolvenz bewegte, wieder nach vorne bringen. Laut der Tageszeitung "Die Presse" würden 1100 der aktuell noch mehr als 5000 Mitarbeiter zur Kündigung angemeldet. Das allerdings wollte am Freitag weder das AMS noch das Unternehmen bestätigen. Auch was mit den Standorten passiert, blieb noch offen.

Klar ist aber: Die Beschäftigung im Möbelhandel geht generell zurück: Aktuell sind österreichweit 23.020 Personen in dieser Branche beschäftigt - das sind um 2,2 Prozent weniger als im Juli des Vorjahres. Und zu den 1865 Arbeitslosen vom Juli, die davor im Möbelhandel beschäftigt waren, dürften einige weitere dazukommen. Diesen stehen derzeit nur 942 offene Stellen österreichweit gegenüber. In Niederösterreich, wo es um rund 500 Kika/Leiner-Mitarbeiter geht, die bis Ende des Jahres ihre Arbeit verlieren dürften, sind es gerade einmal 199.

Kein Wunder, dass sich auch St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) "zutiefst erschüttert" zeigt, nicht nur, weil schräg gegenüber dem Rathaus im Jahr 1910 das erste Leiner-Haus gegründet wurde. "St. Pölten ist bei den Kündigungen einer der am stärksten betroffenen Standorte", bedauert er.

Zwar wollen es weder Gemeinde, Unternehmen oder AMS vorwegnehmen, von den 800 Kika/Leiner-Mitarbeitern in der Zentrale, den beiden Möbelhäusern und dem Lager in St. Pölten dürfte aber - wie sonst in Österreich auch - rund ein Fünftel der Mitarbeiter den Job verlieren. Da in St. Pölten auf rund 60.000 Einwohner ebensoviele Arbeitsplätze kommen, könnte die Arbeitssuche hier ein bewältigbares Unterfangen werden.

Die rund 5,3 Milliarden Euro schwere Möbelhandelsbranche zeichnet sich nicht nur durch einen harten Verdrängungswettbewerb, sondern auch durch eine hohe Fluktuation aus. "Gute Leute können wir immer brauchen", sagt Barbara Riedl, Pressesprecherin von Ikea Österreich, und verweist auf die laufend auf der Homepage ausgeschriebenen offenen Stellen. Auch bei Mitbewerber und Marktführer XXXLutz lohnt es sich, im Online-Karrierecenter vorbeizuschauen. 568 Jobs werden angeboten, vom Möbelfachverkäufer bis zur Aushilfe im Restaurant.

Zu starke Flächenexpansion rächt sich

Dabei wurden in den vergangenen Jahren zunehmend neue Flächen gebaut. Österreich liegt mit 1,72 Quadratmetern Verkaufsfläche pro Person an dritter Stelle - nur die Schweiz und San Marino stellen ihrer Bevölkerung noch mehr Fläche zum Einkaufen zur Verfügung. "Jetzt rächen sich die Fehler der Vergangenheit", sagt Innsbrucks Bürgermeister Willi.

Der heimische Handel hat jedenfalls durchwachsene Jahre hinter sich. Der Versandhändler Quelle und der Elektrohändler Cosmos brachten im Jahr 2010 eine Serie an Insolvenzen und Notverkäufen in Gang, die bis heute rund 10.000 Beschäftigten den Job kosteten. Allein bei der Quelle-Pleite verloren rund 1100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Job, die Cosmos-Insolvenz kostete knapp 1200 Stellen.

Nach der Schlecker-Insolvenz standen mehr als 3500 Beschäftigte - vorwiegend Frauen - ohne Job da. "Nur" 500 Stellen gingen bei der Zerschlagung der Baumarktkette bauMax im Jahr 2015 verloren, denn 3200 Mitarbeiter wurden bei Filialübernahmen, unter anderem von Obi und Hagebau, weiterbeschäftigt. Die Zielpunkt-Pleite kostete 1500 Mitarbeitern ihren Job, 1200 Personen wurden im Rahmen von Filialübernahmen durch Mitbewerber weiterbeschäftigt.

Jüngstes Problemkind im Handel ist die insolvente Modekette Vögele. Bis Freitag bekam Masseverwalter Norbert Scherbaum Angebote von vier Investoren. Offen Interesse bekundet hat bisher die Fussl Modestraße. Die Angebote würden nun geprüft, teilte Scherbaum mit. Er geht von einer positiven Fortführung des Unternehmens aus. Rund 700 Beschäftigte können hoffen.

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