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Nach der ersten Umfrage-Mehrheit für ein Ja zur EU-Verfassung in Frankreich seit Wochen hofft die Regierung von Präsident Jacques Chirac auf eine Trendwende. Die Zustimmungswerte für ihre Amtsführung sinken jedoch ständig.
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Für ein Aufatmen ist es vier Wochen vor dem Referendum noch zu früh. Die Verfassungsbefürworter wähnen sich aber am Ende der Talsohle. 52 Prozent der Franzosen wollten sich laut einer am Wochenende veröffentlichten Befragung am 29. Mai für die Verfassung aussprechen - nachdem zuvor 23 Mal die Vertragsgegner die Oberhand gehabt hatten. Vor allem der Auftritt Chiracs beim Jungfernflug des Airbus-Flaggschiffs A380, eines europäischen Vorzeigeprojekts, könnte geholfen haben, heißt es in der Analyse.
Auch eine zweite Umfrage deutet auf einen Umschwung in Richtung Ja. Dort halten zwar die Nein-Sager noch 52 Prozent. Vier Prozentpunkte auf 48 Prozent konnte die Verfassung jedoch seit Mitte April zulegen. Die Anhänger der Regierungspartei UMP stünden zunehmend geschlossener hinter dem EU-Projekt, konstatierten hier die Meinungsforscher.
Das allein wird jedoch nicht genügen. Längst gilt die Ablehnung der Verfassung in weiten Teilen der Bevölkerung als Denkzettel für die ungeliebte Regierung unter Chirac und Premier Jean-Pierre Raffarin. Die Amtsführung der beiden ist laut einer jüngsten Umfrage mit 63 Prozent Ablehnung noch deutlich unbeliebter als es die EU-Verfassung je war.
So wird es vor allem auf die Stimmen der linken Wähler ankommen. Dass die Erhebungen Mitte letzter Woche durchgeführt wurden, gibt den Verfassungsfreunden Mut. Erst danach war der sozialistische Ex-Premier Lionel Jospin erstmals seit Jahren wieder vor die Fernsehkameras getreten und hatte für sie Partei ergriffen.
Rückenwind erhalten die Sozialisten vom deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der letzte Woche an Chiracs Seite in Paris für die Verfassung geworben hat. Erst kurz vor dem Wochenende konnte er jedoch nach Widerständen aus der CDU/CSU-Opposition die Ratifizierung in Deutschland per 27. Mai im Bundesrat nur durch Zugeständnisse an die Bundesländer sichern.
In Brüssel wächst angesichts des drohenden Neins nicht nur die Angst vor einer vorübergehenden Lähmung der EU sondern insbesondere der Beispielwirkung auf die folgenden Abstimmungen. Für den "Tag danach" fehlt nicht nur der EU ein Plan B.