Kassoulides und Christofias in Stichwahl am Sonntag. | Gespräche mit türkischen Zyprioten geplant. | Nikosia. Die nächsten Stimmzettel sind schon gedruckt. In den kommenden Tagen sollen sie an die Wahlkommissionen ausgeliefert werden - rechtzeitig vor der Präsidentenstichwahl im Süden Zyperns am Sonntag. Doch welche Namen draufstehen, hat wohl auch die Kandidaten selbst überrascht.
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Denn nur in einem haben die Umfragen vor dem ersten Wahlgang Recht behalten: Es sollte ein knappes Rennen zwischen drei Favoriten werden. Tatsächlich entschieden gerade einmal 980 Stimmen zwischen dem ersten und zweiten Platz. Völlig unvorhersehbar war hingegen, dass Amtsinhaber Tassos Papadopoulos schon in der ersten Runde abgewählt werden würde. Immerhin hat seine Mitte-Rechts-Fraktion DIKO (Demokratische Partei) noch vor eineinhalb Jahren bei der Parlamentswahl zugelegt.
Ebenso unerwartet ist der in Umfragen Drittgereihte am Wochenende als Wahlsieger aus dem ersten Votum hervorgegangen. Für den EU-Abgeordneten und ehemaligen Außenminister Ioannis Kassoulides - den die rechtsgerichtete DISY (Demokratische Sammlungsbewegung) unterstützt - stimmten rund 33,5 Prozent der Wähler. Nur zwei Zehntel Prozent dahinter lag Parlamentspräsident Demetris Christofias von der ehemals kommunistischen AKEL (Fortschrittspartei des Werktätigen Volkes). Und der bisherige Staatschef kam auf knapp 31,8 Prozent der Stimmen. Die Beteiligung der rund 516.000 Wahlberechtigten betrug fast 90 Prozent.
Kompromisslos für die Interessen des Südens
Die Abwahl Papadopoulos gilt als richtungsweisende Entscheidung der griechischen Zyprioten. Der 74-jährige Politiker hat den Ruf eines oft kompromisslosen Verfechters der Interessen des Südens der Insel, die seit 1974 geteilt ist. Einen UN-Plan zur Wiedervereinigung hat er im Jahr 2004 ebenso abgelehnt wie er vehement auf die Anerkennung der Republik Zypern durch die Türkei pochte. Ankara erkennt lediglich den Norden der Insel an, wo bis zu 30.000 türkische Soldaten stationiert sind.
Die Kandidaten, denen die Wähler nun den Vorzug gegeben haben, gelten als moderater denn Papadopoulos. Sowohl Kassoulides als auch Christofias haben bereits angekündigt, bald Gespräche mit den türkischen Zyprioten im international isolierten Norden aufnehmen zu wollen.
So hoffen nicht nur diese sondern auch etliche internationale Beobachter auf einen neuen Anlauf für eine Zypern-Lösung unter der Ägide der Vereinten Nationen. Nach der Präsidentenwahl ergebe sich eine neue Chance auf Verhandlungen über ein Ende der Teilung, stellt denn auch die International Crisis Group fest.
Von einer Einigung würden alle Seiten profitieren, heißt es in einem Bericht der in Brüssel ansässigen Crisis Group. Für die griechischen Zyprioten würde es höhere Sicherheit und einen Zugang zum dynamischen türkischen Markt bedeuten. Die türkischen Zyprioten könnten die Vorteile der Europäischen Union voll nutzen, deren Mitglieder sie bisher nur formell sind. Für die Beitrittskandidatin Türkei wäre eine große Hürde auf dem Weg zu einem möglichen EU-Beitritt bewältigt. Und die EU hätte ein ungelöstes Problem weniger.