Mittel zerstört Blutgefäße im Fettgewebe und sollte auch bei Menschen wirken.
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Wien. "Fettleibigkeit ist ein wichtiger Risikofaktor für Krebserkrankungen - etwa im selben Ausmaß wie Tabakkonsum -, und beide sind potenziell reversibel." Das sagt Wadih Arap vom Krebszentrum der Universität von Texas in Houston (USA). In einer Reihe von Versuchen an Affen ist es den dortigen Forschern gelungen, ein neues wirksames Mittel gegen Adipositas zu entwickeln. Während bestimmte Krebsmedikamente die Blutversorgung von Tumoren blockieren, geht es hier darum, gezielt die Blutgefäße im Fettgewebe zu zerstören und damit für eine Reduktion der Fettmasse zu sorgen.
Das Medikament mit dem Namen Adipotid war zuvor bereits erfolgreich an Mäusen erprobt worden, die dadurch 30 Prozent ihres Körpergewichts verloren hatten. Es unterscheidet sich von den wenigen bisherigen, meist mit heftigen Nebenwirkungen verbundenen Arzneien, die auf Gewichtsreduzierung abzielen. Diese versuchen im Allgemeinen, den Appetit zu zügeln, die Fettaufnahme zu verändern oder den Stoffwechsel zu verbessern.
Bei Adipotid handelt es sich um einen chemisch hergestellten Eiweißstoff. "Die Entwicklung dieses Mittels zum Gebrauch am Menschen würde einen nicht-chirurgischen Weg ermöglichen, um angehäuftes weißes Fett zu verringern", sagt Renata Pasqualini, Kollegin von Arap an der Universität von Texas und Mitautorin einer Studie, die gerade im Fachjournal "Science Translational Medicine" veröffentlicht wurde.
Adipotid besteht aus zwei miteinander verbundenen Peptiden. Es wirkt, indem das eine Peptid an der Oberfläche von Blutgefäßen an Proteine andockt, die weiße Fettzellen nähren, und zwar jener Art, die sich unter der Haut oder um die Köpermitte ansetzt. Nach dem Eindringen in die Zellen führt das andere Peptid den natürlichen Prozess des Zelltodes herbei und zerstört die Fettzellen.
Da Nahrungsaufnahme und Stoffwechsel sich bei Mäusen und Menschen zum Teil beträchtlich unterscheiden, erprobten die Forscher das Mittel gründlich an verschiedenen Affen - Pavianen, Makaken, Rhesusaffen und Javaneraffen. Die letzte Studie umfasste 15 Affen, die auf die gleiche Art wie Menschen fettleibig geworden waren - durch übermäßiges Essen und zu wenig Bewegung. Zehn Affen wurden medikamentös behandelt, und fünf bildeten die Kontrollgruppe.
Adipositas ist eine Epidemie
Die Untersuchung ergab schließlich, dass die mit Adipotid behandelten Affen im Durchschnitt 38,7 Prozent ihres gesamten Körperfettes verloren hatten, die Kontrollaffen aber lediglich 14,8 Prozent. Außerdem bauten die behandelten Affen 27 Prozent ihres Bauchfettes ab. Die Affen blieben im Verlauf der Studie heiter und munter. Die Hauptnebenwirkungen bestanden in einem Ansteigen der Urinabgabe und einer geringen Dehydration, beides Kennzeichen einer leichten Nierenstörung. Doch diese Wirkungen waren reversibel und schwankten je nach Dosierung.
Die Forscher in Texas planen nun eine Erprobung von Adipotid an Fettleibigen, die wegen Prostatakrebs behandelt werden. Die Patienten sollen vier Wochen lang täglich eine Injektion erhalten. "Adipöse Krebspatienten haben es in jeder Hinsicht schwerer bei einem chirurgischen Eingriff", betont Wadih Arap. "Die Frage ist, ob ihr Prostatakrebs besser wird, wenn wir das Körpergewicht und die damit verbundenen Risiken verringern."
In Österreich erklärten Mediziner am Mittwoch, wer an krankhafter Fettsucht leide, sei im Grunde schwer krank. Die Lebenserwartung sei durch Folgen wie Diabetes und Herz-Kreislaufleiden gekürzt, die Lebensqualität drastisch reduziert. Ab einem gewissen Grad an Übergewicht hätten konservative Maßnahmen wie Diäten keinen größeren Effekt mehr, erklärte die Wiener Internistin Alexandra Kautzky-Willer. Chirurgische Eingriffe gelten als letzter Ausweg. Drei bis fünf Prozent der österreichischen Bevölkerung kämen dafür infrage.
30 bis 40 Prozent der Österreicher sind übergewichtig, die Entwicklung verläuft, so Kautzky-Willer, dramatisch: "Es ist eine Epidemie im Gange. Mindestens zehn Prozent der Bevölkerung haben einen Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30." Dort fängt die Adipositas an. Ein bereits extrem hohes Risiko für Komplikationen haben Menschen mit einem BMI von 35 bis 40 und vorhandenen weiteren Gesundheitsproblemen sowie dann auf jeden Fall Personen mit einem BMI von mehr als 40.