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Hoffnung für Diabetes-Patienten

Von Heiner Boberski

Wissen
Die eingekapselten pankreatischen Zellen 29 Wochen nach der Transplantation (rot Insulin, grün Glucagon, blau Somatostatin).
© Tim Kieffer

Versuche mit Stammzellen deuten darauf hin, dass Diabetes Typ 2 rückgängig gemacht werden kann.


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Wien. Diabetes mellitus, im Volksmund Zuckerkrankheit genannt, ist zu einer Epidemie mit rasch wachsender Verbreitung geworden. Weltweit sind heute schon an die 400 Millionen Menschen davon betroffen, der Diabetes Atlas der Internationalen Diabetes Föderation (IDF) prognostiziert für 2035 fast 600 Millionen Diabetiker. In Österreich dürfte es derzeit etwa 600.000 Diabetiker geben, die deutliche Mehrheit davon, etwa 80 Prozent, leidet an Diabetes Typ-2, wozu häufig ein ungesunder Lebensstil beiträgt.

Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine oft schon in der Kindheit auftretende Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem die Insulin produzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) zerstört. Dadurch tritt ein Mangel des Hormons Insulin auf, das den Zuckerstoffwechsel regelt. Beim Typ-2-Diabetiker ist Insulin zwar vorhanden, vermag aber an seinem Zielort, den Zellmembranen, nicht richtig zu wirken. Da Diabetes Typ 2 bisher eher im fortgeschrittenen Alter auftrat, nannte man diese Krankheit auch "Altersdiabetes", diese Bezeichnung ist aber, zumal immer mehr junge Menschen daran erkranken, irreführend.

Eine neue Entdeckung, soeben im Fachmedium "Stem Cell Reports" veröffentlicht, klingt im Hinblick auf Typ-2-Diabetiker sehr vielversprechend. Wissenschafter der Universität von British Columbia (UBC) und vom Janssen Research & Development LLC zeigen erstmals auf, dass Diabetes Typ 2 mittels einer Kombination von speziell-kultivierten Stammzellen und konventionellen Diabetes-Medikamenten wirksam behandelt, ja sogar rückgängig gemacht werden kann.

Erst kürzlich haben Forscher, an der UBC und anderswo, Stammzellen - ursprüngliche Zellen, die noch keine besondere Form oder Funktion haben - verwendet, um Diabetes Typ 1 in Mäusen umzukehren. Die neuen Ergebnisse zeigen ein weitaus größeres Potenzial, da Diabetes Typ 2 - oft eine Folge von falscher Ernährung, Bewegungsmangel und Fettleibigkeit - weltweit mehr als 90 Prozent aller Diabetes-Fälle ausmacht.

Timothy Kieffer, UBC-Professor in der Abteilung für zelluläre und physiologische Wissenschaften, simulierte mit Experten von Janssen‘s BetaLogics Venture Diabetes Typ 2 bei Mäusen, die man für mehrere Wochen mit fettreicher, kalorienreicher Kost fütterte. Dann implantierte das Forscherteam chirurgisch pankreas-artige Zellen, die man im Labor aus menschlichen embryonalen Stammzellen gezüchtet hatte.

Verblüffender Gewichtsverlust

Mäuse, die eine Mischung der Zellen mit einer von drei Diabetes-Arzneien erhielten, wurden so "glukosetolerant" wie gesunde Mäuse, waren also imstande, ihren Blutzuckerspiegel im Zaum zu halten, und das sogar, wenn man ihnen eine zuckerreiche Mahlzeit verabreichte. Dagegen blieb eine Kontrollgruppe von Mäusen mit fingierter Diabetes Typ 2, die lediglich die Medikamente, aber nicht die Transplantate erhielten, glukoseintolerant. "Fähig zu sein, die Zacken der Blutzuckerwerte zu reduzieren, ist wichtig, denn die Evidenz legt nahe, dass es diese Zacken sind, die eine Menge des Schadens verursachen - steigende Risiken für Erblindung, Herzattacken und Nierenversagen", betonte Kieffer, der dem UBC-Institut für Life Sciences angehört.

Die Kombinationstherapie führte zu noch einem unerwarteten, aber willkommenen Ergebnis: Die Mäuse kehrten zu einem normalen Gewicht zurück, zu dem gleichen Gewicht wie eine gesunde Kontrollgruppe, die man mit fettarmer Kost aufgezogen hatte. "Dass sie an Gewicht verloren, war verblüffend, denn manche der gebräuchlichen Diabetes-Therapien führen häufig zu einem Gewichtszuwachs", sagte Kieffer. "Wir brauchen weitere Studien, um zu verstehen, wie die Zelltransplantate den Gewichtsverlust herbeiführen."

Das Forscherteam will außerdem noch herausfinden, ob eine höhere Dosierung der Zellen - jenseits der fünf Millionen, die in dieser Studie getestet wurden - die gleichen Resultate erbringen kann - ohne den Bedarf zusätzlicher Medikamente.