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Hoffnung für die Ärmsten

Von Ronald Schönhuber

Politik

Bei den UN-Millenniumszielen gibt es in Teilbereichen deutliche Fortschritte.


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Genf. Afrika, das ist in der breiten Rezeption vor allem der ewige Elendsort. Bittere Armut, verheerende Dürren, blutige Konflikte und hunderttausende Tote durch Malaria oder Aids bestimmen die afrikanische Malaise, aus der es auch nach Jahrzehnten und trotz vieler Milliarden Dollar an Entwicklungshilfe kein Entkommen zu geben scheint. Um eine Bestätigung für diese Afrika-Sicht zu bekommen, muss man nur zwei Jahre zurückblicken. Damals führte das monatelange Ausbleiben des Regens in Kombination mit den Wirren im bürgerkriegsgeplagten Somalia zur schwersten humanitären Katastrophe in Ostafrika seit Jahrzehnten. Hunderttausende Menschen starben, Millionen flohen mit kaum mehr als den Kleidern auf dem Leib vor Hunger und Gewalt.

Doch das gängige Afrika-Klischee, das geprägt ist von reichen Potentaten und hoffnungslos armen Ländern, wird der Realität Stück für Stück weniger gerecht. Hand in Hand mit den Fortschritten in anderen unterentwickelten Regionen meistern auch viele afrikanische Länder zunehmend Probleme, die einst als kaum lösbar galten.

Ablesen lässt sich das sehr deutlich am jüngsten Bericht der UNO zu Umsetzung der sogenannten "Millennium Declaration", der am Montag in Genf veröffentlicht wurde. Darin wird detailliert analysiert, wie weit die einzeln Länder von jenen acht entwicklungspolitischen Zielen entfernt sind, die die internationale Staatengemeinschaft im Jahr 2000 unter großem Blitzlichtgewitter in New York gemeinsam festgelegt hat. Beschlossen wurde damals unter anderem die Halbierung der extremen Armut im Zeitraum zwischen 1990 und 2015, die Senkung der Müttersterblichkeit um zwei Drittel oder die Ermöglichung des Grundschulbesuchs für alle Kinder.

Zwei Jahre vor Erreichen des Zieldatums hat vor allem die Bekämpfung von Malaria und Aids spürbare Fortschritte gemacht. Zwischen 2000 und 2010 konnte etwa die Sterblichkeitsrate bei Malaria durch den großflächigen Einsatz von Moskitonetzen um 25 Prozent gesenkt werden. Das Ziel, allen Betroffenen Zugang zu antiretroviralen Aids-Medikamenten zu ermöglichen, könnte zumindest bis zum Jahr 2015 erreicht werden. "Gerade für Subsahara-Afrika, das die ärmste Region der Welt darstellt, hätte man eigentlich erwarten müssen, dass es hier besonders schwierig ist, Fortschritte zu erzielen", sagt Markus Loewe vom renommierten deutschen Institut für Entwicklungspolitik gegenüber der "Wiener Zeitung". "Insofern ist das also besonders erfreulich."

Falsche Anreize

Spürbar sind in Afrika - wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen - die Fortschritte bei der Erreichung dreier weiterer Millenniumsziele. Bereits im Jahr 2010 konnte die Zahl der Menschen, die ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser leben müssen, gegenüber dem Jahr 1990 um die Hälfte reduziert werden. Um mehr als die Hälfte konnte auch die Einkommensarmut verringert werden. Mussten 1990 noch 47 Prozent der Weltbevölkerung mit weniger als 1,25 Dollar auskommen, waren es 2010 - vor allem bedingt durch die rasante Entwicklung in China - nur noch 22 Prozent. Die Hoffnung, die Zahl der Hungernden in der Welt um 50 Prozent zu senken, könnte sich immerhin bis 2015 erfüllen.

Durchaus als Erfolg sehen Entwicklungsexperten auch die Einschulungsquote, selbst wenn das gesteckte Ziel von hundert Prozent bei weitem nicht erreicht werden wird. "Das Ziel ist so ambitioniert formuliert gewesen, dass eine Erfüllung eigentlich gar nicht möglich war", sagt Loewe. Es sei zwar relativ leicht von 50 Prozent auf 90 Prozent zu kommen, aber die letzten 10 Prozent seien häufig nur sehr schwer zu erreichen. Viele Länder könnten es sich schlicht nicht leisten, für fünf oder zehn Kinder in einem abgelegen Dorf eine entsprechende Schulinfrastruktur auf die Beine zu stellen. In jedem Fall hat es Loewe zufolge aber durch die Verabschiedung der Millenniumsziele eine enorme Beschleunigung gegeben.

Offensichtlich wird zwei Jahre vor Erreichen des Zieldatums aber nicht nur, dass mehrere Vorgaben - neben der Einschulung sind das unter anderem die Müttersterblichkeit und die ökologische Nachhaltigkeit - verfehlt werden. In den fünfzehn Jahren seit Verabschiedung der "Millennium Declaration" konnten auch die bestehenden Ungleichheiten nicht entschärft werden, die Ärmsten der Armen profitierten am wenigsten von den Maßnahmen zur Erreichung der Ziele.

Die Regierungen seien naturgemäß bestrebt, die Vorgaben möglichst kostengünstig zu erfüllen, sagt Loewe. So brächte etwa die Bekämpfung der Kindersterblichkeit im städtischen Raum aufgrund der besseren Zugänglichkeit einen deutlich stärkeren statistischen Effekt, die Probleme der schwer erreichbaren ländlichen Bevölkerung blieben aber ungelöst.

Doch nicht nur dieser Konstruktionsfehler, der mit den Nachfolgezielen ab 2015 beseitigt werden soll, hat die Hilfe für die Allerbedürftigsten zuletzt gefährdet. 2012 sanken laut der UNO auch die Hilfszahlungen der wohlhabenden Staaten um vier Prozent auf 126 Milliarden Dollar. "Insbesondere in Anbetracht der Eurokrise sind viele Regierungen überhaupt nicht mehr bereit, knappe öffentliche Gelder für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben", sagt Loewe.