Zum Hauptinhalt springen

Hoffnung für die Ukraine?

Von Alexander von der Decken

Gastkommentare
Alexander von der Decken hat Philosophie und Romanistik studiert und in Barcelona gelebt. Er war außenpolitischer Redakteur beim "Weser Kurier" und lebt heute als freier Journalist und Autor in Bremen.
© Alex Kurze

Papst Franziskus will nach Moskau und Kiew reisen und einen "August-Frieden" vermitteln.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Ukraine-Krieg zieht sich hin, und die Nachrichtenlage ist verworrener denn je. Wem soll man noch trauen: den Bildern, den Worten oder der eigenen Wahrnehmung? Die Antwort: keinem Bild, keinem Wort und der eigenen Wahrnehmung schon gar nicht, denn die Gräuel unterliegen mittlerweile nicht mehr verifizierbaren Datenströmen; in der Ukraine herrscht auch ein Medienkrieg.

Der Kreml will offenbar einen neuen Eisernen Vorhang aufziehen, um den Status quo ante wiederherzustellen. Das mag man bewerten, wie man will. Fakt ist, dass Nato-Dogmatiker in ihrer betonierten Einfältigkeit, trotz oder gerade wegen aller ökonomischen und politischen Fortschritte, weiter an der Ost-West-Architektur zündeln. Der Westen, als selbsternannter Botschafter von Frieden und Freiheit, ist am Status quo und an den Ereignissen in der Ukraine mitschuldig. Seit der Öffnung des Eisernen Vorhangs und dem Ende der UdSSR geriet die Nato in eine Identitätskrise - böswillig könnte man unterstellen, dass sie diese jetzt überwunden hat. Der Kreml wird in zynischer Scheinheiligkeit angeprangert. Allerdings ist auch Wladimir Putins Militärschlag in seiner Maßlosigkeit nicht zu übertreffen. Zielführender wäre es, auf Zweckrhetorik zu verzichten und Selbstkritik mehr Raum zu geben. Den Preis für all die Ignoranz zahlen die Menschen, die dem Irrsinn schutzlos ausgeliefert sind.

Die Welt nach diesem Krieg in der Ukraine wird eine andere sein als vor dem 24. Februar. Sie wird mehr Demut vor dem Sein erfordern. Das Misstrauen wird sich kumulusartig aufbauen und zwischen den Systemen verharren. Eine fatale Aussicht, zumal auch die Ära Putins letztendlich eine begrenzte ist. Alle Chancen einer Wiederannäherung liegen in den Händen der Zeit. Voraussetzung dafür ist, die Wachstumsökonomie zu hinterfragen und ein neues Selbstverständnis von Bescheidenheit im Umgang mit dem Machbarkeitswahn zu begründen. Das alles erfordert Mut und kann und darf nicht vor geronnenem Polit-Eigennutz aufhören. Es mag pathetisch klingen, aber der Globus dreht sich teilnahmslos weiter - ob die Menschheit sich nun gegenseitig umbringt oder nicht.

Ein Umstand, der die Eigenverantwortlichkeit herausstellt wie nichts anderes. Um die Pathetik, bei aller Kritik dem religiösen Dogmatismus gegenüber, noch ein wenig mehr zu strapazieren: Papst Franziskus hat schon einmal "Wundersames" bewirkt, als er die Sprachlosigkeit zwischen Havanna und Washington zu Zeiten des damaligen US-Präsidenten Barack Obama mit einem Schreiben aufgelockert hat. Er will nun dem Vernehmen nach unter der symbolbeladenen Überschrift "August-Frieden" nach Moskau und Kiew reisen, um zu vermitteln. Wochenlange Unterverhandlungen des Vatikans scheinen diesen bedeutsamen Schritt zu rechtfertigen.

Mit dem himmlischen Beistand ist es freilich immer so eine Sache, aber vielleicht könnte ein metaphysischer Fingerzeig kraft des Amtes des Pontifex eine die Vernunft auf beiden Seiten stimulierende Wirkung haben. Es wäre ein Akt der Größe aller Akteure und eine Verbeugung vor der universellen Idee der Freiheit.