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Vor kurzem hat der Oberste Gerichtshof Spaniens die verantwortlichen Politiker für die Aktionen gegen den Rechtsstaat im Jahr 2017 in Katalonien verurteilt. Damit endete ein Prozess mit allen Verfahrensgarantien. Die Verurteilten können nun vor dem spanischen Verfassungsgericht und den internationalen Gerichtshöfen Berufung einlegen.
Man sagt, sie seien aufgrund ihrer Ideen verurteilt worden, als ob es ein Verbrechen wäre, politisch für die Unabhängigkeit einzutreten. Gegen diese Behauptung spricht, dass es in Spanien zahlreiche Politiker gibt, die sich aktiv für die Unabhängigkeit einsetzen, ohne dafür belangt zu werden. Amtsträger stehen nicht über dem Gesetz. Die Justiz behandelt alle gleich.
Wofür wurden sie also verurteilt? Weil sie Wahlurnen aufstellten? Nein, es gab mehrere Gründe. Nach Ansicht des Gerichts war das Pseudo-Referendum vom
1. Oktober 2017 nur eine in einer Reihe von Aktionen gegen den spanischen Rechtsstaat. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichten diese am 6. und 7. September 2017, als das katalanische Parlament in Abwesenheit der Hälfte der Abgeordneten Gesetze verabschiedete, die die spanische Verfassung und das katalanische Autonomiestatut außer Kraft setzten, und eine illegale Volksbefragung ansetzten, die mit öffentlichen Geldern abgehalten wurde. Der Prozess gipfelte in die Ausrufung der Unabhängigkeit. Diese Aktionen fanden statt, obwohl nicht nur die spanischen Gerichte, sondern auch der Rechtsdienst des katalanischen Parlaments wiederholt auf deren Gesetzeswidrigkeit hingewiesen hatten.
Wäre die Antwort auf diese Herausforderungen in anderen europäischen Ländern anders ausgefallen? Nein. Die Integrität des Staatsgebietes wird von allen Staaten mit einer schriftlichen Verfassung proklamiert. So auch in Artikel 3 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes und in Paragraph 242 des Strafgesetzbuches, der Aktionen gegen die territoriale Integrität als Hochverrat definiert. Und das nicht nur in der Theorie. Am 15. Jänner 2019 hat das Grazer Landesgericht im Staatsverweigerer-Prozess eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren wegen des Angriffs auf die verfassungsmäßige Ordnung in Österreich verhängt.
Die Unabhängigkeit anzustreben, ist kein Delikt. Die Unabhängigkeit wider geltende Gesetze auszurufen, ist es schon.
Ist das ein Widerspruch? Nein.
Im Rahmen der Verfassung und unter Einhaltung der Gesetze ist in der spanischen Demokratie, die Katalonien weitreichende Autonomierechte zugesteht, vieles möglich, auch Verfassungs- und Gesetzesnovellen. Aber es kann nicht sein, dass die Unabhängigkeitsbewegung eine Abkürzung nimmt und dabei nicht nur per Verfassung festgelegte Prozedere der politischen Debatte ignoriert, sondern auch die Rechte der Mehrheit der katalanischen Bevölkerung, die gegen eine Unabhängigkeit ist, und so die Gesellschaft spaltet. Dialog ja, aber im Rahmen der Gesetze.
Ich hoffe auf ein pluralistisches und tolerantes Katalonien als Teil Spaniens und als Teil eines Europas ohne neue Grenzen.