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Österreichs Textilindustrie sucht sich neue Nischen. | Von Stoffen, die sich selbst reinigen, zur Hose mit Airbag. | Wien. Fäden, die sich selbst verknoten; Vorhänge, die Energie speichern; ein T-Shirt, das Herztöne überwacht: Österreichs Textilindustrie mit ihren rund 140 Firmen hüllt sich in neue Gewänder.
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Statt nur mit traditioneller Stickereikunst oder Heimtextilien will man in Zukunft verstärkt mit intelligenter Bekleidung international Fuß fassen.
Kleidung mit Köpfchen
"Um gegen die Konkurrenz aus Asien bestehen zu können, müssen wir uns verstärkt auf die Herstellung von hochspezialisierten und technologieintensiven Gütern spezialisieren", erklärt Reinhard Backhausen, Präsident des Fachverbandes der Textilindustrie. Für die heimischen Firmen würden sogenannte intelligente Textilien ein Geschäftsfeld mit enormen Chancen bieten.
Forschungsinstitute, Textil- und Elektronikunternehmen tüfteln derzeit gemeinsam an Kleidungsstücken, bei denen elektronische Teile ins Gewebe integriert sind. Was im Moment noch Schaufensterpuppen in den Forschungsräumen ziert, könnte in fünf Jahren auf der Straße getragen werden: Das T-Shirt oder die Hose wird dann nicht nur vor Wind und Wetter schützen oder eine modische Note verleihen, sondern auch eine Funktion erfüllen. "Intelligente Textilien finden speziell in den Bereichen Sport, Freizeit, Gesundheit und Sicherheit Anwendung", so Backhausen.
Das Marktforschungsinstitut Venture Development Corporation prognostiziert in einer Studie ein Marktvolumen für "Smart Textiles" von über einer Milliarde Euro für das Jahr 2010.
Die High-Tech-Kleidung werde Menschen mit Gesundheitsproblemen in Zukunft das Leben erheblich erleichtern, sind Forscher überzeugt. Mithilfe von Sensoren, die etwa in T-Shirts integriert sind, können Blutdruck, Puls, Herzfrequenz oder Atmung überwacht werden. Die Vitaldaten werden an Übertragungsgeräte gesendet. Dadurch wird die Fernbeobachtung Pflegebedürftiger durch den Arzt oder eine Einsatzstelle ermöglicht.
Problem: Datenschutz
Auch bei Schutzbekleidung finden Elektronik und Mikrosystemtechnik Einzug. Das Austrian Institute of Technology (AIT) arbeitet beispielsweise an der Entwicklung einer intelligenten Feuerwehrausrüstung. "Durch Sensoren, die unter anderem die Körperoberflächentemperatur und den Sauerstoffgehalt im Blut messen, können bedrohliche Situationen für den Feuerwehrmann früh erkannt und Kollegen vorgewarnt werden", erklärt Andreas Oberleitner vom AIT.
Für aussichtsreich halten Experten auch die Solartechnik: "Vorhänge könnten in Zukunft auch Energie speichern oder Polstermöbel zur Raumkühlung eingesetzt werden", zeigt sich Backhausen optimistisch. Angedacht seien auch Textilien mit Airbags, die bei einem Sturz eines älteren Menschen den Aufprall lindern sollen. Mithilfe von Nanotechnologie können Stoffe dazu gebracht werden, sich selbst zu reinigen und ihren Zustand anzuzeigen.
Bis die visionären Ideen jedoch alltagstauglich sind, benötigt es noch viel Vorarbeit: Kopfzerbrechen bereiten die Datenleitungen, betont Oberleitner vom AIT. Zum einen wolle man einen Kabelsalat im T-Shirt verhindern. Zum anderen müsse noch die geeignete Isolierungslösung für die Leitungen gefunden werden, um Kurzschlüsse zu vermeiden. Eine weitere Hürde stelle der Datenschutz dar: Die neuen Systeme haben jedenfalls den Anforderungen des Gesundheitstelematikgesetzes zu entsprechen.
Die heimische Textilindustrie lässt sich dadurch ihre Wachstumshoffnungen nicht zunichte machen: Forschung, Innovation und Kooperationen mit anderen Branchen seien der einzige Ausweg, um sich aus dem Konjunkturtief zu ziehen, betont Fachverbandschef Backhausen. Seit Jahren bröckeln die Umsätze in der Textilindustrie dahin. Im ersten Halbjahr 2009 betrug das Minus der stark exportorientierten Branche 27 Prozent. Zu schaffen machen Billigimporte und Fälschungen aus China. Ertragreiche Expansionsmärkte wie etwa Indien werden derzeit mit fast 60-prozentiger Einfuhrsteuern abgeschottet.