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Ein kleines Mädchen im schmutzigen Kleid steht im dichten Verkehr und verkauft Taschentücher. Wer im Urlaub einmal ein Entwicklungsland besucht hat, kennt solche Bilder. Doch die grausamsten
Formen von Kinderarbeit sieht der normale Tourist nicht. Sie finden im Verborgenen statt: In Bergwerken, chemischen Fabriken, Steinbrüchen, Bordellen und im Drogenmilieu. Im Kampf gegen diese
Auswüchse der Armut gibt es ab sofort eine neue Waffe. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat am Donnerstag in Genf eine Konvention verabschiedet, die Regierungen verpflichtet, gegen die
schlimmsten Formen der Kinderarbeit vorzugehen.
Dem Mädchen mit den Taschentüchern, dessen Tätigkeit laut ILO-Definition nicht zu den "schlimmsten Formen von Kinderarbeit" zählt, wird die Konvention nichts nützen. Das Schicksal der Kinder, die
täglich in Indiens Teppichfabriken oder in den Steinbrüchen Nigerias schuften, könnte sie aber vielleicht positiv beeinflussen.
"Ich schätze, daß wir spätestens in fünf Jahren die ersten Resultate sehen werden", meint Asha de Souza. Die gebürtige Inderin gehört zu den Organisatoren des weltweiten Marsches gegen Kinderarbeit.
Sie hält die ILO-Konvention für einen Meilenstein bei der Bekämpfung der Ausbeutung von Minderjährigen.
Die neue ILO-Konvention verbietet nicht generell die Beschäftigung von Kindern. Das wäre ohnehin nicht in allen Mitgliedstaaten durchsetzbar. Nur die Beschäftigung von Kindern in der Sexindustrie, im
Drogenmilieu und als Kindersoldaten wird unter Strafe gestellt, wobei das Strafmaß von den einzelnen Ländern selbst bestimmt wird. Außerdem verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, gegen die in
einigen Ländern immer noch verbreitete Schuldknechtschaft oder Leibeigenschaft von Kindern vorzugehen, die oft im Haushalt oder in der Landwirtschaft die Schulden ihrer Eltern abarbeiten müssen.
Doch gerade weil sich die ILO-Konvention gegen Kinderarbeit an einem Minimalkonsens orientiert, der auch von den ärmsten Ländern unterstützt wird, hofft die ILO, daß sie von möglichst vielen Staaten
ratifiziert und in nationale Gesetze übertragen wird. Ein Hoffnungsschimmer für die 60 Millionen Kinder, die laut ILO-Schätzung weltweit als Prostituierte, Kindersoldaten, Dealer, Minenarbeiter oder
Lastenträger arbeiten.