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Hoffnungsschimmer für Migranten

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Bereits in den ersten Tagen seiner Amtszeit versucht US-Präsident Joe Biden jenes Thema zu entschärfen, das seinen Vorgänger groß machte: die Einwanderungspolitik. Die Hürden für eine Reform sind allerdings hoch.


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Keine Atempause, es geht voran: Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt als 46. Präsident der Vereinigten Staaten setzte Joseph R. Biden jr. seine Unterschrift unter gleich 17 sogenannte Executive Orders - Dekrete, die es ihm innerhalb eines gewissen Rahmens erlauben, im Alleingang und am Kongress vorbei neue gesetzliche und politische Realitäten zu schaffen. Die Mehrheit davon widmete sich dem derzeit dringendsten Problem, der Bekämpfung der in den USA seit Monaten außer Kontrolle geratenen Covid-19-Pandemie. Aber gleich fünf Dekrete betrafen ein Thema, das in den vergangenen vier Jahren unter Bidens Vorgänger Donald Trump die Agenda der Bundesregierung und die Medien dominierte wie kaum ein anderes: die amerikanische Einwanderungs- und Migrationspolitik.

Executive Order eins betrifft die Fest- beziehungsweise Fortschreibung des von Vor-Vorgänger Barack Obama erfundenen und von Trump bis zuletzt heftig bekämpften DACA-Programms. DACA steht für Deferred Action for Childhood Arrivals. Es betrifft rund 700.000 Kinder und Jugendliche, die einst von ihren Eltern auf illegalem Weg ins Land gebracht wurden, und schützt sie vor der Abschiebung. Nummer zwei setzt die Anordnung der Trump-Administration außer Kraft, bei der alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählung ausschließlich amerikanische Staatsbürger zu zählen. Executive Order Nummer drei nimmt einen Teil jener Maßnahmen zurück, die den Exekutivbehörden des Bundes beim Finden und Abschieben undokumentierter Ausländer bisher außerordentliche Rechte einräumten.

Legalisierung als Kernpunkt

Nummer vier bewahrt rund 10.000 in den USA lebende Liberianer vor der Deportation, die Ende 2019 auf Geheiß Trumps ihren legalen Status verloren hatten. Und mit Executive Order Nummer fünf hob Biden den sogenannten "Muslim Ban" auf, der Bürger von sieben mehrheitlich muslimischen Staaten daran hinderte, ins Land zu reisen - darunter auch zehntausende Menschen und ihre Familien, die den teils in diesen Ländern stationierten US-Truppen unter Einsatz ihres Lebens beistanden und -stehen.

Dem nicht genug, präsentierte Biden bereits an den Tagen eins und zwei in seiner neuen Rolle als Staatsoberhaupt ein bemerkenswert detailliertes Programm zur Reform des Immigrationssystems. Dessen Kernpunkt: die langfristige Legalisierung von rund elf Millionen Menschen, die teilweise seit Jahrzehnten undokumentiert in den USA leben.

Das politische Kalkül hinter Bidens unverzüglichem Handeln scheint klar. Mit seinen Beschwörungen einer angeblich drohenden Invasion durch die Südgrenze stürmender Einwanderer aus Lateinamerika hatte Trump erfolgreich die Ängste von Millionen seiner - vorwiegend weißen - Landsleute zu schüren vermocht. Für die Errichtung seiner Mauer zahlte bekanntlich, entgegen seinen Versprechen, weder Mexiko, noch hielten die neu errichteten Barrieren im Grenzland, die insgesamt nur 130 Kilometer ausmachen, einen einzigen potenziellen Migranten davon ab, sich auf den Weg Richtung Norden zu machen. Wiewohl in puncto medialer Aufmerksamkeit in keinem Verhältnis stehend, baute die Administration des 74-jährigen Ex-Reality-TV-Stars aber gleichzeitig eine andere, ungleich effektivere Mauer, die bis heute weitgehend unsichtbar ist: eine bürokratische. Als Paradebeispiel gelten in diesem Zusammenhang die United States Citizenship and Immigration Services.

Überlastete Gerichte

Anders als den unter Trump voll durch-militarisierten Vollstreckungsorganen wie der Immigrationsbehörde, der Grenzpolizei oder der Zoll- und Grenzschutzagentur, fällt dieser Bundesagentur laut Gesetz die Aufgabe zu, sich um all jene Leute zu kümmern, die auf legalem Weg in die USA einwandern wollen. Mit immer restriktiveren Verordnungen - die überwältigende Mehrheit davon nach Übereinstimmung sämtlicher Experten sinnlos - brachten Trump und seine Helfer, allen voran der bekennende Rechtsextremist Stephen Miller, die Arbeit der Behörde über die Jahre hinweg de facto zum Stillstand.

Zum jetzigen Zeitpunkt warten fast sechs Millionen Antragsteller auf Antworten über ihren Aufenthaltsstatus, so viele wie nie zuvor. Von den Gerichten, die unter anderem über das Bleiberecht von Asylwerbern und Flüchtlingen zu urteilen haben, ganz zu schweigen: Mehr als eine Million Menschen warten derzeit auf eine Anhörung durch einen Richter eines der völlig überlasteten Immigration Courts. Viele davon sind mittellose Flüchtlinge, die unter teils menschenunwürdigen Bedingungen in Mexiko ausharren.

Vertane Chance

Wer sich unter amerikanischen Migrationsforschern umhört, bekommt auf die Frage, inwieweit das alles den bedauernswerten Seelen erspart werden hätte können, meist die gleiche Antwort: Auch wenn das damalige Gesetzespaket alles andere als perfekt gewesen sei, hätte der Kongress vor sieben Jahren eine Chance vertan, was in letzter Konsequenz in Trumps extremer Anti-Ausländerpolitik gemündet habe. Im Jahr 2013 hatten je vier Senatoren der beiden Parteien eine umfassende Reform der Immigrationsgesetzgebung ausgehandelt. Mit Erfolg: Als das Werk fertig war, stimmten 68 von 100 Mitgliedern des Oberhauses für die Implementierung, und der damalige Präsident Barack Obama signalisierte seine Zustimmung. Warum das Thema trotzdem liegen blieb, lag, wie fast alles seit den Midterms 2010, an den Republikanern. Anders als im Senat, stemmten sich die Mitglieder der damaligen konservativen Mehrheit im Abgeordnetenhaus mit allen Mitteln gegen den Kompromiss.

Angesichts der ideologischen Verfasstheit der Partei heute besteht entsprechend so gut wie keine Chance, dass sich im Senat noch einmal zehn ihrer Vertreter finden, um die nötigen 60 Stimmen für eine Reform zusammen zu bekommen (die Demokraten halten 50). So sinnvoll sie auch sein mögen: Keine 24 Stunden, nachdem die Vorschläge der Biden-Administration zur künftigen Einwanderungs- und Migrationspolitik bekannt geworden waren, nannte sie die "Washington Post" nicht zuletzt eingedenk der demografischen Entwicklung der USA - sinkende Geburten- und steigende Sterblichkeitsrate - wörtlich "smart, fair und volkswirtschaftlich vernünftig".

Die Chancen, das Vorhaben deshalb durch den Kongress zu bekommen, definiert das freilich nicht. Nichts auf der Welt steht 2021 in krasserem Gegensatz zur Politik wie Rhetorik der Republikaner als Adjektive wie diese.