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Hoffnungsschimmer Scholz

Von Alexander Dworzak

Politik

Die Schwäche ihrer Spitzenkandidaten lässt CDU und Grüne weiter sinken, die SPD liegt nun auf Platz zwei.


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Das Bemühen ist Olaf Scholz nicht abzusprechen. Der als staubtrocken berüchtigte deutsche Finanzminister bewegt sich im Bundestagswahlkampf auf unbekanntem Terrain, stellt sich auch persönlichen Fragen des Frauenmagazins "Brigitte". Und beweist dabei - wie Angela Merkel - oft verborgenen Humor: Auf die Frage, was die Kanzlerin besser als er beherrsche, meint Scholz, sie könne unheimlich lange Sachen aussitzen. Die Pointe sitzt, abseits dieser hat Scholz’ Bemühen lange Zeit auf Mühe beruht: Seine persönlichen Umfragewerte sind seit jeher respektabel, die seiner Sozialdemokraten aber kaum vom Fleck gekommen.

Weil aber die Spitzenkandidaten von CDU/CSU und Grünen, Armin Laschet und Annalena Baerbock, regelmäßig patzen, ist das erwartete schwarz-grüne Duell um die Kanzlerschaft in den Hintergrund gerückt. Noch im Frühjahr sah es danach aus, als würde Scholz marginalisiert. Mittlerweile würden in einer - allerdings hypothetischen - Direktwahl 25 Prozent für Scholz als Kanzler stimmen, nur 21 Prozent für Barbock und 17 Prozent für Laschet.

Der Wahlkampf bleibt inhaltsleer

Es häufen sich daher Berichte über den stets soliden Scholz, der als einziger der drei Kandidaten über Regierungserfahrung auf Bundesebene verfügt. Der SPD gelingt zwar noch immer nicht die große Aufholjagd, aber Scholz zieht seine Partei langsam nach oben - während die persönlichen Tiefs von Laschet und Baerbock ihre Parteien mit nach unten reißen. Zwar führen CDU/CSU deutlich, aber derzeit würden nur noch ein Viertel der Deutschen bei der Bundestagswahl Ende September die Konservativen wählen. Die SPD liegt gleichauf mit den Grünen auf Platz zwei bei 17,5 Prozent, ermittelten die Meinungsforscher des Insa-Instituts.

Scholz steht auch im Mittelpunkt der linken Kampagne, von den Plakaten bis zu den Videos in den Sozialen Medien. Einer der Werbeclips im Stil der Matrjoschka-Puppen widmet sich der Konkurrenz: Wer für Laschet stimme, wähle eine Politik, "die Reiche reicher und Arme ärmer macht", heißt es, während das Konterfei des wirtschaftsliberalen CDU-Politikers Friedrich Merz zu sehen ist. Der abberufene Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen steht stellvertretend für "Kandidierende, die die CDU an den rechten Rand rücken". Aber auch eine Person, die nur Politinsidern bekannt ist, kommt vor: Laschets Büroleiter Nathanael Liminski. Er symbolisiere "erzkatholische Laschet-Vertraute, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist". Die SPD zitierte eine 14 Jahre alte Aussage Liminskis, der damals 21 Jahre alt war.

Seit beinahe einer Woche ist der Clip bereits online, nun erst entzündet sich eine Kontroverse um die SPD-Kritik an Liminski - und legt offen, wie inhaltsleer der Wahlkampf weiterhin ist. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak forderte die SPD auf, den Werbefilm zurückzuziehen. Man solle "nicht weiter ein religiöses Bekenntnis dazu missbrauchen, um Wahlkampf gegen andere zu machen". Von "antikatholischen Klischees" sprach der Vertreter der Bistümer Nordrhein-Westfalens beim dortigen Landtag, Antonius Hamers, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Laschet - er gilt als eher liberaler Katholik - gab sich "überrascht" ob der Methoden der SPD im Wahlkampf.

Erfolg für Laschet - Ende kostenloser Corona-Tests

Der Spitzenkandidat der Union und Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens bemüht sich derzeit um Akzente in der Corona-Politik anlässlich des ersten Treffens der 16 Länderchefs mit Kanzlerin Merkel nach der Sommerpause. Wie zuletzt immer mehr Politiker will auch Laschet die kostenlosen Covid-Tests für Ungeimpfte auslaufen lassen. Die jetzige Regelung endet am 10. Oktober, darauf verständigten sich Bund und Länder am Dienstag. Wer nicht geimpft werden kann oder unter 18 Jahren alt ist, wird weiter gratis getestet.

Eine Impfpflicht lehnt Laschet ebenso ab wie Nachteile für nicht geimpfte Personen, sofern diese einen negativen Test vorweisen können. Einigkeit besteht mit der Schwesterpartei CSU, dass der Inzidenzwert der Infizierten pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen nicht mehr das entscheidende Kriterium bei den Corona-Maßnahmen sein könne. Laschet sieht die Belegungen in den Krankenhäusern, auf Intensivstationen und den Fortschritt beim Impfen als weitere Parameter. Und er legt sich fest: Einen weiteren Lockdown werde es nicht geben.

Auch die Folgen der Flutkatastrophe vom Juli mit 191 Todesopfern in Deutschland standen auf dem Plan des Gipfeltreffens. Laschets Bundesland war mit Rheinland-Pfalz am stärksten betroffen, der Politiker wünschte sich einen von Bund und Ländern mit 30 Milliarden Euro dotierten Wiederaufbaufonds - dem zugestimmt wurde. Derartige Erfolge sollen die Bilder des an einem Ort der Katastrophe feixenden Laschet vergessen machen und jene, die den Landesvater von wütenden Bürgern umringt zeigten.

Vergessen wollen würde Annalena Baerbock wohl auch gerne einiges aus den vergangenen Monaten - von zu spät gemeldeten Nebeneinkünften über ihren frisierten Lebenslauf bis zu Plagiatsvorwürfen. Beim Start ihrer Wahlkampftour zu Wochenbeginn setzte sie auf das Kernthema der Partei, forderte den Abschied vom "fossilen Status quo" und warnte davor, Klima und Soziales gegeneinander auszuspielen. Das Thema ist angesichts der Flutkatastrophe aktueller denn je, aber Baerbocks Fehltritte überlagern weiterhin die Inhalte. Nur noch knapp sieben Wochen bleiben ihr für die Wende.