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Hoffnungsträger in Orange steht vor dem politischen Aus

Von Gerhard Lechner

Europaarchiv

Duell Timoschenko gegen Janukowitsch. | Politik Kiews wird sich stärker an Moskau ausrichten. | Kiew/Wien. Vorige Woche war Wiktor Juschtschenko wieder einmal in seinem Element: Am 67. Jahrestag der Gründung der Ukrainischen Aufstandsarmee UPA, die im Zweiten Weltkrieg gegen Sowjets und Deutsche kämpfte, ließ er die "wirklichen nationalen Helden" hochleben: Nach deren Beispiel "erziehen wir neue Generationen ukrainischer Patrioten", so der Präsident.


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Viel Zeit wird ihm für diese hehre Mission wohl nicht mehr bleiben: Am Montag wurde in der Ukraine der Wahlkampf für die Präsidentenwahl am 17. Jänner eröffnet, und die Chancen des einstigen Hoffnungsträgers der "Orangen Revolution" sind gleich Null: 3,1 Prozent der Befragten würden nach einer Umfrage für Juschtschenko stimmen, nur noch seine loyalsten Unterstützer sehen eine Chance auf eine zweite Amtszeit.

Diese Chance hat sich Juschtschenko wohl auch mit seiner auf Konfrontation ausgerichteten Politik verbaut: Das Ansinnen, die Ukraine in die Nato zu führen, musste die starken, auf Russland ausgerichteten Bevölkerungsteile im Land ebenso vergraulen wie Juschtschenkos ukrainisch-nationale Erinnerungspolitik die Veteranen der Roten Armee. Für diese und deren Nachkommen sind die Kämpfer der UPA Nazi-Kollaborateure und ehemalige Feinde. Vor allem aber schadete der nervenaufreibende Dauerstreit im orangen Lager, der noch dazu vor dem Hintergrund einer sich stetig verschlechternden Wirtschaftslage stattfand, dem Präsidenten weit mehr als der zuletzt betont pragmatisch auftretenden Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Im Gegensatz zu Juschtschenko gilt die PR-erprobte Politikerin mit dem Haarkranz als chancenreiche Kandidatin für das höchste Amt im Staat: Mit dem Slogan "Die anderen reden - sie arbeitet" sucht sie sich als Krisenmanagerin zu profilieren.

Favorisiert bei der Wahl wird dennoch Wiktor Janukowitsch, der Führer der Partei der Regionen, die besonders im russischsprachigen Südosten des Landes stark verankert ist. Er käme derzeit auf Werte zwischen 22 und 27 Prozent, Timoschenko auf 13 bis 16 Prozent. Janukowitsch, der nicht nur nach Russland, sondern auch in den Westen seine Fühler ausstreckt, gibt sich auf Plakaten betont moderat, um auch in der umkämpften Mitte der Ukraine zu punkten.

"Blockfreier Staat"

Ob Janukowitsch, Timoschenko oder der junge Parlamentspräsident Arseni Jasenjuk das Amt bekommen: Kiew scheint sich wieder stärker an Russland zu orientieren. Timoschenko gratulierte jüngst Russlands Premier Wladimir Putin zu dessen Geburtstag, Janukowitsch sprach von einem "ausgewogenen außenpolitischen Kurs" unter seiner Führung und Jasenjuk von einer Zukunft der Ukraine als "blockfreier Staat" - ohne Nato-Mitgliedschaft. Dazu passt auch, dass der neue Außenminister Petro Poroschenko seinen ersten offiziellen Besuch in Moskau absolvieren wird.