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Hoffnungsträger und Risikoquelle

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Zentrale Abwickler sollen die Märkte ordnen - und werden immer mächtiger.


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Wien. Letztlich waren es weder die anderen EU-Staaten noch die umstrittenen Ratingagenturen, die der Regierung Berlusconi Anfang November den Todesstoß versetzten: Als die Renditen - quasi die Zinsen - für italienische Staatsanleihen mit einem Schlag in gefährliche Höhen schossen, war dies die Folge einer Entscheidung einiger namenloser Risikomanager bei einer - der breiten Öffentlichkeit - weitgehend unbekannten Firma aus der zweiten Reihe des Welt-Finanzsystems.

LCH.Clearnet gehört zu den sogenannten Clearinghäusern, die für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften - etwa zwischen Banken - sorgen. Statt direkt miteinander Geschäfte durchzuführen, werden diese sogenannten zentralen Gegenparteien zwischengeschaltet. Das soll nicht zuletzt die Sicherheit der Marktteilnehmer erhöhen. Allerdings machte sich LCH.Clearnet zuletzt eher Sorgen um die eigenen Risiken und verlangte auf einmal für Geschäfte mit italienischen Staatsanleihen massiv höhere Sicherheiten seitens der handelnden Banken. Das führte zu einer Flucht aus diesen Wertpapieren und brachte Italien an den Märkten massiv unter Druck. Frühere Anhebungen der Sicherheiten für irische und portugiesische Anleihen haben den Weg dieser Länder unter den Euro-Rettungsschirm zumindest beschleunigt.

Heikle Regulierungsfragen

Experten sehen darin einen Beweis für die wachsende Macht der Clearinghäuser: Da immer mehr Wertpapiere über zentrale Gegenparteien gehandelt würden, könnte sich ein solcher Schritt in anderen Teilen des Marktes leicht wiederholen, meint Gert Raeves vom Beratungsunternehmen Tower Group im Internet-Portal "The Trade News". Zwar gibt es interne Richtlinien, wann die Sicherheiten zu erhöhen sind, entschieden wird letztlich jedoch von Fall zu Fall.

Clearinghäuser sind einerseits die großen Hoffnungsträger bei den weltweiten Versuchen, Wertpapiermärkte zu regulieren - schließlich ist hier mehr Transparenz möglich als bei Geschäften, die direkt zwischen zwei Marktteilnehmern abgewickelt werden. Neben der zunehmenden Macht gibt es jedoch noch ein weiteres potenzielles Problem: Ähnlich wie Banken könnten auch Clearinghäuser zu groß und zu vernetzt werden, um sie im Fall von Problemen einfach pleitegehen zu lassen.

Craig Pirrong von der Universität Houston warnte bereits vor einigen Monaten davor, dass zentrale Gegenparteien systemische Risiken nicht immer vermindern, sondern auch erhöhen können, und regte eine strenge Regulierung an. In Europa versuchte die Europäische Zentralbank zuletzt, die Clearinghäuser verstärkt unter ihre Fittiche zu nehmen, in dem sie letztlich nur solchen Häusern den großvolumigen Handel mit Euro-Wertpapieren erlauben wollte, die in der Eurozone ansässig sind.