Fischer fordert demokratische Weiterentwicklung Myanmars ein.
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Wien. Es war ein in mehrfacher Hinsicht historischer Besuch: Zum ersten Mal seit über 60 Jahren der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Myanmar (Burma) besuchte ein Präsident des südostasiatischen Staates seinen Amtskollegen. "Es gab viel zu diskutieren", sagte Heinz Fischer bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Myanmars Präsident Thein Sein am Montag in der Wiener Hofburg. Denn Myanmar befindet sich - schrittweise - auf dem Weg von der Militärjunta zur Demokratie.
"Die Demokratie ist keine leichte Regierungsform", betonte der habilitierte Verfassungsrechtler Fischer mit Blick auf die immer noch gravierenden strukturellen Probleme Myanmars, darunter ethnische Spannungen, die sich im multikonfessionellen Land immer wieder gewaltsam entladen. Bereits mit zehn von elf bewaffneten Volksgruppen gebe es einen Waffenstillstand, versuchte Thein Sein zu kalmieren. Und mit der Kachin-Minderheit im Norden des Landes werde weiter verhandelt.
40 Prozent der rund 60 Millionen Einwohner Myanmars sind keine ethnischen Burmesen, in dem Vielvölkerstaat leben mehr als 130 ethnische Gruppierungen. Laut Amnesty International sind Hinrichtungen, Folter und sexuelle Gewalt verbreitet. Betroffen sind vor allem ethnische und religiöse Minderheiten, insbesondere die Rohingyas. Den Nachfahren illegaler Einwanderer aus Bangladesch wird die Staatsbürgerschaft verweigert, die UNO sieht "systematische Verletzungen der Menschenrechte". "Die Berichte über Minderheiten sind nicht immer wahr", hielt Thein Sein am Montag dagegen.
Lieber widmete sich der Präsident der Aufhebung der Sanktionen gegen Myanmar durch EU und USA; Amtskollege Fischer betonte die Unterstützung Österreichs in dieser Frage. Der EU-Vertreter in Myanmar, Andreas List, erwartet die völlige Aufhebung der Sanktionen für Ende April. Kritiker warnen vor allzu raschem Tempo, denn erst für 2015 sind freie Wahlen vorgesehen.
Thein Seins Roadshowin Sachen Demokratie
Noch immer ist die Armee der entscheidende politische Faktor Myanmars, die Verfassungsreform von 2008 sichert deren Stellung ab. In Wien schloss Thein Sein aber Zusätze zur Verfassung nicht aus. Der Präsident weiß, was er seinem Gastgeber schuldig ist: Fischer bietet ihm einen Platz auf der Bühne der Demokratien, dafür signalisiert Thein Sein Reformbereitschaft.
Unangenehmen Fragen entkommt Myanmars Präsident ohnehin nicht: Auf die Besuche in Norwegen, Finnland und Österreich folgen Belgien und Italien. In Brüssel könnte Thein Sein auf EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso treffen; das Meeting ist noch nicht fixiert. Abseits der Gespräche in Brüssel und Rom scheint die Besuchstour ein Probegalopp für kommende Visiten in EU-Metropolen zu sein.
Einen persönlichen Erfolg konnte Thein Sein am Montag verbuchen: Er wurde als Anwärter für den Friedensnobelpreis nominiert. Der 67-jährige Ex-General übernahm 2011 das Präsidentenamt und leitete den Reformkurs ein, darunter die Freilassung der burmesischen Demokratie-Ikone Aung San Suu Kyi - sie ist bereits Nobelpreisträgerin.
Wirtschaft in den Startlöchern
(da/apa) "Es gibt nichts, was Burma nicht braucht", sagte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl anlässlich eines Besuchs in Myanmar im Februar. Mit der nunmehrigen Visite von Thein Sein sind nicht nur demokratiepolitische Interessen verbunden, sondern auch handfeste wirtschaftliche. 70 Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft, das Schulwesen ist ebenso dringend reformbedürftig wie die Infrastruktur des südostasiatischen Landes.
Im Wettrennen der Staaten um lukrative Aufträge setzt Österreich auf gute Beziehungen und tritt in symbolpolitische Vorleistung: Am Montag kündigte Präsident Heinz Fischer an, Österreich nehme im "Pariser Club" der Kreditnehmer und Geberländer in "positiver Weise" teil. Man ist also dafür, Myanmar mehrere Milliarden Dollar an Auslandsschulden zu erlassen. Denn nicht Produkte, sondern Beziehungen und Vertrauen entscheiden über den Geschäftserfolg in Myanmar, erklärt der dortige EU-Vertreter.
Lediglich 20 Mio. Euro beträgt derzeit der bilaterale Handel zwischen Österreich und Myanmar. Unternehmen wie Wasserkraftwerke-Hersteller Andritz Hydro, Ziegelproduzent Wienerberger und Zellstoffhersteller Lenzing sondieren bereits den Markt; im Bereich Bildung hat die Universität Krems zugesagt, in Zusammenarbeit mit der Universität Rangun einen einjährigen Tourismus-Lehrgang zu starten.
Aufwärtspotenzial gibt des genug: Myanmar stürzte nach dem Militärputsch 1962 und seinem jahrzehntelangen "burmesischen Weg zum Sozialismus" vom einstmals größten Reisexporteur der Welt ab; das Land befindet sich auf Rang 149 der 187 ärmsten Staaten. Rund ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Das BIP pro Kopf liegt bei 600 Euro - in Österreich sind es 35.700 Euro.
Noch dominieren Land- und Forstwirtschaft in Myanmar, mehr als ein Drittel des BIP wird in diesem Sektor erwirtschaftet. Der Tourismus gewinnt rasant an Bedeutung. Besuchten 2011 rund 300.000 Gäste das Land, werden für 2015 drei Millionen angepeilt. Zudem setzt Myanmar auf die Ausbeutung seiner reichhaltigen Bodenschätze, darunter Silber, Kupfer und Zink. Mit Erfolg: Um 6,2 Prozent soll die Wirtschaft 2013 wachsen.