Experte: "Kein politischer Wille da." | Nur Zypern und Slowenien ähnlich schlecht ausgestattet. | Wien. Die Arbeitsgruppe, die sich gemäß Regierungsprogramm mit der Evaluierung des österreichischen Wettbewerbs- und Kartellrechts auseinandersetzt, hat die ersten Sitzungen bereits hinter sich gebracht. Letztendlich dürften hier allfällige Reformvorschläge aber nicht nur nach ihrer Sinnhaftigkeit beurteilt werden, sondern auch nach ihrer Umsetzbarkeit. In diesem Zusammenhang fürchten Experten angesichts mangelnder Ressourcen, dass so manche Idee von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Dabei komme eine funktionierende Wettbewerbsaufsicht sowohl Konsumenten als auch Unternehmen zugute.
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So wird - abseits des Koalitionsstreits über die Zusammenführung von Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und Bundeskartellanwalt (die "Wiener Zeitung" berichtete) - etwa darüber diskutiert, die BWB von einer Ermittlungsbehörde zu einer Entscheidungsinstanz aufzuwerten. Experten meinen, dass dies helfen könnte, Verfahren zu straffen. "Von den Fällen, die die BWB ans Kartellgericht übermittelt, enden die wenigsten mit einer Entscheidung desselben", erklärt Peter Matousek, Leiter der Geschäftsstelle der BWB. Oft würden Unternehmen einfach Anträge nicht vollständig einbringen. Dennoch müsse der Fall ans Gericht weitergegeben werden. Das sei "umständlich". Umgekehrt wird befürchtet, dass, wenn Untersuchung und Entscheidung in einer Hand liegen, eher solche Beweise zum Zug kommen, die laufende Ermittlungen bestätigen würden.
33 Planstellen für BWB
Während SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim "keinen Anlass" sieht, vom jetzigen System der Gerichtsbarkeit abzugehen, hält Thomas Eilmansberger von der Universität Salzburg die ganze Debatte für verfrüht: "Eine Umstellung auf eine Entscheidungsbehörde ist bei der derzeitigen Personalausstattung der BWB kein Thema. Das würde den Arbeitsaufwand vervielfachen."
Die BWB als zentrale unabhängige Ermittlungsbehörde musste bis vor kurzem - inklusive Administration - mit 25 Planstellen ihr Auslangen finden. Das Anfang Mai vom Nationalrat beschlossene Bundesfinanzgesetz 2007 sieht nun eine Aufstockung auf 33 vor. Dennoch hätten, so Eilmansberger, in der EU nur Zypern und Slowenien ähnlich mager besetzte Wettbewerbsbehörden wie Österreich. Sonst gebe es zumindest doppelt so viele Leute.
"Keine Insel" mehr
Dabei sei, so Bundeskartellanwalt Alfred Mair, Österreich "keine kartellrechtliche Insel mehr", sondern spiele "im europäischen Konzert" mit. Von Seiten der EU-Kommission würden zahlreiche Aufgaben auf die nationalen Wettbewerbshüter zukommen.
So solle die Konsumentenwohlfahrt an Stelle einer reinen Betrachtung der Marktstrukturen ins Zentrum gerückt werden. In diesem Zusammenhang fordert Arbeiterkammer-Expertin Agnes Streissler raschere Verfahren und "mehr Biss". Bis dato hätte man zu sehr auf "Mediation" zwischen Konfliktparteien gesetzt.
Darüber hinaus wünscht sich die EU-Kommission bessere Klagerechte für Privatpersonen, einen stärker wirtschaftlich - weniger juristisch - ausgerichteten Zugang und intensivere Fusionskontrollen von den heimischen Behörden. Ob es diesen tatsächlich gelingt, Unternehmen zu ertappen, die sich im Rahmen von Kartellen zu Lasten der Kunden einig sind oder eine marktbeherrschende Stellung ausnutzen, hängt aber wiederum mit der Personalausstattung zusammen: "Mit 25 Leuten kann man Missbrauch nicht bekämpfen", erklärt Peter Klocker vom deutschen Bundeskartellamt.
Eilmannsberger nimmt die Politik in die Pflicht: Angesichts des geringen Personalstands sehe er "überhaupt keinen politischen Willen, das Kartellrecht zu vollziehen."