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Eigentlich sollte sie bereits in österreichisches Recht umgesetzt sein und seit Jahresbeginn in Kraft stehen: Die EU-Richtlinie 2000/78, mit der grundsätzlich jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Alters untersagt wird. Bislang ist die Umsetzung allerdings noch nicht erfolgt. Der Gesetzentwurf liegt beim Gleichbehandlungsausschuss des Nationalrates. Zwei Beispiele dafür, welche Bereiche des Arbeitslebens von der Richtlinie erfasst sein können.
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Beispiel 1: Der Kollektivvertrag für Handelsarbeiter sieht etwa unterschiedliche Monatslöhne für über/unter 18-Jährige vor. Dies ist unabhängig von einem Lehrabschluss. Ein 17-Jähriger und 19-Jähriger arbeiten nebeneinander mit schweren körperlichen Tätigkeiten. Der 17-Jährige verdient 5,21 Euro pro Stunde, der 19-Jährige 6,46 Euro.
Beispiel 2: Frau X ist seit 10 Jahren als Vertragsbedienstete des Bundes Reinigungskraft in einer Wiener Schule. Von einem Ministerium lässt sich eine Reinigungskraft für die letzten Jahre vor der Pension ebenfalls an diese Schule versetzen. Beide arbeiten nebeneinander, am Beginn muss Frau X die neue Kollegin einschulen. Aufgrund ihres Dienstalters verdient Frau X um ca. 200 Euro pro Monat weniger.
Das erste Beispiel stellt einen Fall unmittelbarer Diskriminierung dar, weil in einer vergleichbaren Situation nur aufgrund des Alters eine unterschiedliche Bezahlung erfolgt. Das zweite Beispiel ist eine mittelbare Diskriminierung. Eine solche liegt dann vor, wenn dem Anschein nach neutrale Kriterien (hier: Dienstalter bzw. Biennalsprünge) Personen eines bestimmten Alters (hier: mit einem geringeren Dienstalter) gegenüber anderen Personen benachteiligen. Es sei denn, diese Kriterien sind durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
Die entscheidende Frage ist in beiden Fällen, ob es aufgrund der Richtlinie einen Rechtfertigungsgrund gibt. Nach Artikel 6 der Richtlinie wäre eine unterschiedliche Entlohnung etwa zulässig, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen zu fördern. Ebenfalls zulässig ist grundsätzlich eine unterschiedliche Entlohnung, um Berufserfahrung oder Dienstalter zu berücksichtigen. Wenn also in Beispiel 1 vom Arbeitgeber nachgewiesen werden kann, dass die Jugendarbeitslosigkeit bei 17-Jährigen wesentlich höher ist als bei den (über) 18-Jährigen, so läge für die unterschiedliche Entlohnung grundsätzlich ein Rechtfertigungsgrund vor.
Kann der Arbeitgeber dies nicht nachweisen, muss er dem 17-Jährigen den selben Lohn gewähren. Im zweiten Beispiel stellt das höhere Dienstalter grundsätzlich einen Rechtfertigungsgrund für die unterschiedliche Entlohnung dar. Die Berufserfahrung aber nicht, da beide Reinigungskräfte diese Arbeit seit Jahren verrichten und am konkreten Reinigungsobjekt Frau X mit dem geringeren Dienstalter sogar über mehr Erfahrung verfügt.
Die Prüfung der Rechtfertigung ist jedoch damit (zumindest im zweiten Beispiel) nicht abgeschlossen, da neben einem Rechtfertigungsgrund auch die verhältnismäßige Anwendung beurteilt werden muss. Eine nach dem Alter differenzierende Maßnahme (Beispiel 1: Lebensalter, Beispiel 2: Dienstalter) ist dann nicht verhältnismäßig, wenn das angestrebte Ziel auch durch Alternativmaßnahmen erreichbar ist, die weniger nachteilige Auswirkungen zeitigen. Es ist das mildeste Mittel zu eruieren.
Bei Gehaltsschemen mit vielen Biennalsprüngen ist die Alternative, dass z.B. statt hoher Biennalsprünge für die Seniorität die (Anfangs-)Grundgehälter bei gleichzeitiger Senkung dieser Sprünge angehoben werden. Obwohl solche Gehaltssteigerungen gem. Art 6 Abs 1 lit b aufgrund der Berufserfahrung und des Dienstalters grundsätzlich zulässig sind, ist aufgrund der Verhältnismäßigkeit in Hinkunft auf die jeweilige Tätigkeit abzustellen. Zudem auf Basis eines durchschnittlichen Arbeitnehmers zu ermitteln, wie lange die Ausübung der Tätigkeit und der damit gewonnenen Erfahrung noch zu einer Verbesserung der Arbeitsleistung führen kann. Zur exakteren Beurteilung ist auch die (Berufs-)Ausbildung ein geeignetes Hilfsmittel. Ob es Tätigkeiten gibt, die unter dem Gesichtspunkt Berufserfahrung noch erhebliche Biennalsprünge nach einer 10-jährigen Tätigkeit rechtfertigen, ist m.E. zu bezweifeln.
Ein weiteres Indiz für die Unverhältnismäßigkeit ist m.E, wenn Biennalsprünge in jeweils gleicher Höhe gewährt werden. Damit wird nämlich deutlich, dass bei den Biennalsprüngen nicht zwischen Berufserfahrung und Belohnung für Dienstalter differenziert wird. Würden hingegen die Anfangsgehälter entsprechend angehoben und dafür jene Biennalsprünge, welche über den letztmöglichen Zeitpunkt, der durch steigende Berufserfahrung rechtfertigbar ist, um die Hälfte gekürzt, dürfte dies die Belohnung für Dienstalter rechtfertigen und insgesamt verhältnismäßig sein.
Überträgt man nun diese Überlegungen auf die zwei Beispiele, so wird klar, dass die unter-schiedliche Entlohnung aufgrund eines unterschiedlichen Lebensalters von zwei Jahren bzw. die endlose Berücksichtigung von Berufserfahrung bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsleben nicht der Realität entspricht und somit nicht verhältnismäßig sein kann. Ansprüche aufgrund einer Altersdiskriminierung können nach Inkrafttreten des Gesetzes von Privatbediensteten beim Arbeits- und Sozialgericht, von Beamten im Dienstweg geltend gemacht werden.
Mit diesen Ausführungen soll keineswegs auf die Unzulässigkeit solcher regelmäßigen Gehaltssteigerungen hingewiesen werden, sondern auf die Notwendigkeit, sie auf ein verhältnismäßiges Ausmaß zur Rechtfertigung unterschiedlicher Entlohnung aufgrund des Alters zu bringen.
* Mag.Dr. Klaus Mayer ist Referent der Abteilung für Sozialpolitik bei der Arbeiterkammer OÖ. Er publizierte u.a. in der ASoK (Arbeits- und SozialrechtsKartei), einer Fachzeitschrift des Linde Verlags und ist Autor eines Kommentars zum Gleichbehandlungsgesetz (erschienen im ÖGB-Verlag 2001).