Österreichischer EU-Botschafter spielt Schlüsselrolle. | Arbeitspensum für Diplomaten enorm. | Brüssel. Der österreichische EU-Vorsitz startet zwar erst am Sonntag. Die Vorbereitungen in Brüssel laufen aber schon seit Monaten auf Hochtouren. Im Hintergrund ist Gregor Woschnagg, Österreichs Botschafter bei der EU, in den nächsten sechs Monaten maßgeblich für die Geschicke Europas zuständig. Er muss mit seinem Team den Weg für die oft heiß umkämpften Entscheidungen des EU-Rats bereiten. Dafür gilt es die Vertreter aller 25 Mitgliedsstaaten in mühevoller Kleinarbeit mit immer neuen Kompromissvorschlägen auf eine Linie zu bringen. Daneben muss laufend mit dem EU-Parlament und der Europäischen Kommission verhandelt werden.
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Für diese delikaten Aufgaben wollte Wien keinesfalls auf Woschnagg verzichten. Er hat nach Spitzenposten bei der UNO in New York, in den Botschaften in Kairo und Nairobi sowie im Außenministerium 1999 die Nachfolge des damaligen EU-Botschafters Manfred Scheich angetreten. Oft hat der erfahrene Diplomat auch schon exponierte Interessen seiner Regierung ohne Gesichtsverlust für sein Land durch heikle Verhandlungsmarathons geführt. Selbst als Österreich sich als einziges Land gegen den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei per 3. Oktober sperrte, attestierten ihm Kollegen "einwandfreie und korrekte Arbeitsweise".
Dass er eigentlich schon in Pension gehen wollte, verhehlt Woschnagg aber nicht. Per Bescheid wurde sein Brüsseler Posten letzten Sommer um ein Jahr verlängert. "Dagegen gibt es kein Rechtsmittel", schmunzelt der 66-jährige wohl auch ein wenig geehrt.
Für die EU-Präsidentschaft wurde sein Team auf fast 170 Diplomaten und entsandte Beamte aufgestockt. Denn das Arbeitspensum ist enorm. Woschnagg oder sein Stellvertreter Walter Grahammer müssen bis zu 100 Räten der EU-Botschafter vorsitzen - dem höchsten Entscheidungsgremium der Mitgliedsstaaten nach den Ministerräten. Eine Ebene darunter werden die rund 200 Ratsarbeitsgruppen von einem Diplomaten oder Beamten aus Österreich geleitet. Dazu kommen gut 30 Ministerräte und zwei Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs.
Bei allen Sitzungen gilt es nicht nur handfeste Ergebnisse zu erzielen. Auch der organisatorische Aufwand ist gewaltig. Tagesordnungen müssen aufgesetzt, abgestimmt und angepasst werden. Über jedes Treffen werden detaillierte Protokolle erstellt. Und weil alle Mitgliedsstaaten in ihrer Landessprache bedient werden wollen, gilt es ein Heer an Dolmetschern zu koordinieren.